nd-aktuell.de / 10.11.2025 / Wirtschaft und Umwelt

Wirtschaftsfaktor und sozialer Kitt

Der Karneval hat große Bedeutung für Köln, wie aktuelle Studien belegen

Robert Lenz
Man tue es für Köln, beteuern die Karnevalsvereiene.
Man tue es für Köln, beteuern die Karnevalsvereiene.

»Denn wenn et Trömmelche jeiht, dann stonn mer all parat, un mer trecke durch de Stadt, un jeder hät jesaht: Kölle Alaaf, Alaaf!« Wie in der Karnevalshymne besungen, schlägt die Trommel auch zum Karnevalsauftakt 2025 am Elften Elften um elf Uhr elf. Kölner samt Touristen ziehen (trecken) wieder singend und kostümiert durch die Stadt und die Kneipen.[1]

Der Karneval hat sich indes vom lokalen Brauchtumsfest zum ökonomischen Faktor in Köln entwickelt: »Die Wirtschaftskraft ist gegenüber dem Niveau vor der Pandemie um 40 Prozent gestiegen und sichert in der Region 6500 Arbeitsplätze«, heißt es in einer pünktlich zum Start der närrischen Zeit veröffentlichten Studie der Boston Consulting Group (BCG) über die Saison 2024. Ein Drittel gehe auf die höhere Nachfrage durch mehr Gäste und ausverkaufte Events zurück. »So verzeichnet die Hotellerie insgesamt 470 000 Übernachtungen, 90 000 mehr als 2019«, heißt es in der im Auftrag des »Festkomitees Kölner Karneval« erstellten Untersuchung. Die Interessenvertretung feiert die Studie mit dreimal Kölle Alaaf und Tätää, Tätää, Tätää – ohne aber deutlich auf das Kleingedruckte einzugehen, in dem das Wachstumswunder relativiert wird. So heißt es in der Studie, dass »deutlich gestiegene Kosten in allen Bereichen zu spürbaren Preissteigerungen« geführt hätten.

Steckt also die Inflation hinter dem Plus? Tatsächlich langen Hotellerie, Kneipen und Veranstalter kräftig zu. Für Zimmer und Kölsch werden über die tollen Tage deutlich höhere Preise kassiert, immer mehr Kneipen verlangen Eintritt. So werden am 11.11. im kultigen »Haus Unkelbach« 35 Euro »inklusive Mineralwasser« fällig, an Weiberkarneval für »All you can drink« gar sehr unlustige 99 Euro.

Daher wird der Refrain eines Karnevalslieds von 1905 besonders aktuell: »Ov krüzz oder quer … Mer looße nit un looße nit vum Fasteleer!« Was so viel heißt wie: Egal was passiert, wir lassen uns den Karneval nicht vermiesen. Das bestätigt eine aktuelle, in bestem Hochdeutsch verfasste Umfrage der Rheinischen Hochschule Köln. 94 Prozent der mehr als 5000 Befragten werteten demnach den Kölner Karneval als einzigartiges kulturelles Highlight und als wichtigen Beitrag zur Brauchtumspflege. Im Vergleich zu 2019 hat sich der Fokus der öffentlichen Wahrnehmung von den großen Problemen wie Müll, Alkoholmissbrauch und Lärm auf die Bedeutung des Karnevals als »Dreh- und Angelpunkt« für Gemeinschaft, Freundschaft und Zugehörigkeit [2]verlagert. »Der Kölner Karneval ist weit mehr als Brauchtum – er stiftet Identität, stärkt das Miteinander und prägt das Image der Stadt«, erklärt Silke Schönert, Professorin für Wirtschaftsinformatik.

Die Stadt schmückt sich mit dem Großereignis und freut sich darüber, dass die Jecken die Kasse klingeln lassen. Trotz des enormen Stellenwertes des Karnevals finden aber nur sechs Prozent der Befragten das bisherige Engagement der Stadt ausreichend.

Im Festkomitee sind mehr als 150 Karnevalsvereine mit mehr als 30 000 Ehrenamtlern – darunter der Fußballbundesligist 1. FC Köln – zusammengeschlossen. Präsident ist der Bestattungsunternehmer Christoph Kuckelkorn, der sich angesichts der extremen Kostensteigerungen bei Gebühren und Sicherheit für die Organisation eine langfristige Finanzierung wünscht: »Das ist eine Aufgabe, die wir zusammen mit der neuen Stadtspitze in Angriff nehmen wollen.« Rückendeckung erfährt der Oberkarnevalist von BCG-Direktor Dennis Utzerath, für den die Wirtschaftskraft des Karnevals »ein absoluter Aktivposten für die Stadt Köln« ist.

Nicht nur wegen der finanziell völlig aus dem Ruder gelaufenen Sanierung der Oper schockte aber der neue Oberbürgermeister Torsten Burmester (SPD) die Bürger wenige Tage vor dem 11.11. mit einer zunächst bis Jahresende befristeten Haushaltssperre. Der Kölner an sich aber hat für jede Lebenslage ein Lied – für diese einen alten Jupp-Schmitz-Schlager: »Wer soll das bezahlen? Wer hat das bestellt? Wer hat so viel Pinkepinke? Wer hat so viel Geld?«

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189387.queere-sichtbarkeit-koelner-karneval-es-fliegen-einem-die-herzen-zu.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1168541.diskriminierung-an-karneval-augen-auf-bei-der-kostuemauswahl.html