Sora Matsushima ist gnadenlos. Erst stoppte er im Viertelfinale Dimitri Owtscharow, der nach seinem überraschenden Sieg gegen Tomakazu Harimoto gerade in seinen dritten Frühling abheben wollte. Am Ende versaute Matsushima auch noch das große einheimische Glück, indem er dem Nürtinger Dang Qiu im Finale der WTT Champions in Frankfurt am Main[1] trotz knapper Sätze keine Chance ließ.
18 Jahre, stämmiger Körperbau, typisch pubertäre Körpersprache – und Anspannung scheint ein Fremdwort für Matsushima, in der Not wird draufgehauen. Die japanischen Tischtennisspieler[2] sind allesamt von einer erstaunlichen Brachialität und Durchschlagskraft, beim Sieger von Frankfurt kommt noch eine besondere Präzision dazu. Schon auf der letzten Station in Montpellier hatte er seine starke Form gezeigt – da war ihm nur Truls Möregårdh überlegen. In der Woche nach dem Sieg war das schwedische Genie etwas müde.
Überhaupt war Müdigkeit eines der meistbenutzten Wörter der Tischtennisprofis, um ihre derzeitige Verfassung zu beschreiben. Die Saison im internationalen Zirkus[3] war lang und ist mittlerweile auch sehr verdichtet. Dem Turnier in Frankfurt tat es sichtlich nicht gut. Auf der anderen Seite war damit Platz für die eine oder andere Überraschung – wie Owtscharows Weiterkommen. Auch mit seinem deutschen Nationalteamkollegen Dang Qiu im Finale war nicht unbedingt zu rechnen. Zwei direkt aufeinanderfolgende WTT Champions sieht der Wettkampfkalender des Weltverbands sonst nicht vor, nun litt ausgerechnet das einst als »German Open« ausgetragene Turnier in Frankfurt darunter. Einige Stars jetteten von einem Ort zum anderen. Eben noch gefeiert, jetzt schon ausgeschieden, Letzteres vielleicht sogar mit Absicht.
Montpellier ist seit dem französischen Tischtennis-Boom durch die Lebrun-Brüder[4] Felix und Alexis, die sich beide in Frankfurt dann auch recht früh verabschiedeten, ein Tollhaus. Stimmungsvoll war es auch in der Arena in Frankfurt-Höchst, Dang Qiu wurde vom Publikum ins Finale geklatscht. Ausverkauft war die doch recht weit außerhalb der Stadt gelegene Halle aber bei Weitem nicht. Ein wenig mehr Werbung für die Wettkämpfe auf Weltniveau hätte es dann auch schon sein können. In der Frankfurter Innenstadt, wo sich singende asiatische Christen und protestierende iranische Kurdinnen neben frühweihnachtlichen Einkäufern auf den Straßen und Plätzen tummelten, kam gar nichts von dem Event an. Plakate waren nirgendwo zu sehen – keine Annett Kaufmann, keine Sabine Winter, kein Bendikt Duda, kein Patrick Franziska – und kein Dang Qiu.
Was ebenfalls in Frankfurt komplett fehlte, war China. Die vielen Stars und Sternchen spielten in der Heimat gleichzeitig ihre nationalen Meisterschaften aus. Das drückte einerseits natürlich das Niveau der WTT Champions, machte sich andererseits auf den Rängen bemerkbar, weil die sonst überallhin strömenden chinesischen Fans ferngeblieben waren.
Somit konnte die andere große Tischtennis-Nation aus dem fernen Osten ihren Siegszug in Hessen antreten: Japan stellte mit Sora Matsushima den Sieger und gleich beide Finalistinnen bei den Frauen. Die 17-jährige Miwa Harimoto, ein Ausbund an lächelnder und nickender Höflichkeit und mit zahlreichen Labubus am Rucksack bewehrt, lieferte sich im Finale einen großen Kampf mit ihrer acht Jahre älteren Erzrivalin Hina Hayata. Eigentlich hätte es so ausgehen sollen wie immer: Harimoto gewinnt »auf Unterschied« im Entscheidungssatz. Diesmal lief es andersherum: Hayata nutzte ihren zweiten Matchball zum 11:9 im siebten Satz.