Die EU-Grenzagentur Frontex bereitet den Aufbau einer neuen Eingreiftruppe vor. Wie aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage[1] der linken Europaabgeordneten Özlem Demirel hervorgeht, soll diese »Quick Reaction Force« (QRF) »bei sich rasch verändernden Situationen an den Außengrenzen« flexibel einsatzfähig sein. Weitere Einsatzgebiete der robusten Truppe seien »vorgesehene Ereignisse internationalen Maßstabs«, etwa Sportveranstaltungen, Gipfeltreffen oder UN-Konferenzen. Diese hätten »erhebliche Auswirkungen auf den Verkehr und die operativen Anforderungen an den Außengrenzen«, erklärt Frontex in der Antwort.
Die Truppe soll eine Zwischenlösung darstellen zwischen regulären, meist ein Jahr im Voraus geplanten Frontex-Missionen und dem Start einer »schnellen Grenzintervention«, wie sie erstmals 2020 in Griechenland erfolgte. Damals hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan Tausende Geflüchtete aus Syrien an die griechische Grenze gebracht und zum Übertritt angehalten. Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen entsandte daraufhin eine bewaffnete Frontex-Einheit[2] aus Teams einzelner Mitgliedstaaten in die Evros-Region. Die Beamt*innen trugen dabei Ausrüstung zur »Crowd Control«, darunter Helme mit Nackenschutz, Protektoren und Schilde.
Die QRF gehört zur »Ständigen Reserve« unter direktem Kommando von Frontex und soll in zwei Teilen organisiert werden – zum einen als europäische Eingreifreserve (E-QRF) mit fest stationierten Kräften und Ausrüstung in einem oder mehreren Mitgliedstaaten. Hinzu kommt eine kontingentgebundene Reserve (C-QRF), die aus bis zu 15 Prozent der bereits in den verschiedenen Einsatzgebieten stationierten Beamt*innen besteht und kurzfristig verlegt werden kann. Genauere Zahlen teilt Frontex nicht mit.
Laut der EU-Kommission verfügte Frontex Ende März 2025 über 6757 Beamt*innen der »Ständigen Reserve«. Ihre Zahl soll bis 2027 insgesamt 10 000 erreichen. Nach einer Entscheidung der Kommissionspräsidentin von der Leyen soll die Truppe auf bis zu 30 000 Einsatzkräfte ausgeweitet werden. Mehrere Tausend könnten dann zur neuen QRF abgeordnet werden. Wo sie stationiert und womöglich kaserniert wird, ist derzeit noch unklar. Frontex führt dazu Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten. Viel Zeit bleibt nicht: Als Termin für den Start der europäischen Komponente ihrer »Eingreifreserve« nennt Frontex das erste Quartal 2026.
Mit der QRF will die Agentur eine »ergänzende Reaktionsfähigkeit« schaffen, wenn »nationale Kräfte« ihre Kapazitäten ausgeschöpft haben – gemeint sind damit die EU-Mitgliedstaaten, in deren Hoheit die Polizeiaufgaben liegen. Als Gastland können sie bei bestimmten Problemlagen bei Frontex zusätzliche Ressourcen anfordern.
Allerdings kann die EU-Eingreiftruppe auch aktiviert werden, »wenn die Situation an den Außengrenzen dringendes Handeln erfordert«. So steht es seit 2019 als »Recht auf Intervention« in Artikel 42 der damals geänderten Frontex-Verordnung[3]: Wenn ein Mitgliedstaat Empfehlungen des Frontex-Direktors und die darauf basierenden Entscheidungen des Verwaltungsrats zur Behebung festgestellter Mängel im Grenzmanagement ignoriert, können die übrigen Unionsmitglieder zwingende Maßnahmen beschließen, die dieser Staat umsetzen muss. Daraufhin muss der betroffene Mitgliedstaat mit Frontex kooperieren – und etwa die Anwesenheit der »Ständigen Reserve« samt Eingreiftruppe dulden.
»Es steht außer Frage, dass Menschen ein Bedürfnis nach Sicherheit haben, aber diese neue Einsatztruppe bringt genau das Gegenteil.«
Özlem Demirel EU-Abgeordnete
Mit dem Wachstum der »Ständigen Reserve« dezentralisiert Frontex auch die Kommandostrukturen für die Truppe. Dazu entstehen neun regionale Zentren[4], die erstmals eine operative Leitung außerhalb der Zentrale in Warschau ermöglichen. Zwei dieser Zentren wurden bereits in Prag und Tallinn eingerichtet und sollen Personalplanung, Einsatzfreigaben und Führung der Ständigen Reserve in ihren jeweiligen Regionen übernehmen.
Özlem Demirel befürchtet, dass die neue »Quick Rection Force« auch bei Großdemonstrationen gegen internationale Gipfel eingesetzt werden könnte – denen heute schon mit völlig überdimensionierten und oft entfesselten Polizeieinsätzen begegnet werde. »Es steht außer Frage, dass Menschen ein Bedürfnis nach Sicherheit haben, aber diese neue Einsatztruppe bringt genau das Gegenteil«, sagt die Linke-Politikerin zu »nd«. Schon jetzt gebe es starke Kritik an fehlender Transparenz und Kontrolle von Frontex. Dieser Missstand an den EU-Außengrenzen werde mit den Einsatzplänen für die QRF »nach innen verstetigt«, so Demirel.