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Korruption: Ukrainischer Justizminister entlassen
Herman Haluschtschenko muss im Zuge aktueller Korruptionsermittlungen gehen
Die Ermittlungen im Zusammenhang mit dem beispiellosen Korruptionsskandal im ukrainischen Energiesektor haben zu ersten personellen Konsequenzen geführt. Nach Durchsuchungen beim früheren Energieminister Herman Haluschtschenko muss der seit Juli als Justizminister agierende Politiker seinen Hut nehmen.
Haluschtschenkos Name taucht nicht zum ersten Mal im Zusammenhang mit Korruptionsermittlungen auf. Im August 2024 wurde sein damaliger Stellvertreter wegen der Annahme von rund einer halben Million US-Dollar Bestechungsgeld verhaftet. Kritiker warfen ihm zudem vor, der Atomlobby zugeneigt zu sein und den Ausbau des AKW Chmelnyzkyj vorangetrieben zu haben. Dabei sollen zweifelhafte Komponenten aus dem Ausland verwendet werden. Die Folge war eine Initiative zur Absetzung im Parlament.
Haluschtschenko in mehrere Skandale verwickelt
In diesem Jahr gab es im Zusammenhang mit dem Bau einer Gas- und Dampfturbinenanlage einen neuen Skandal. Investigativjournalisten berichteten von einer undurchsichtigen Zulassung zur Ausschreibung. Haluschtschenko hatte stets alle Vorwürfe von sich gewiesen. Auch jetzt ist der geschasste Minister, der in Mitschnitten der Korruptionsermittler als »Professor« und »Sigismund« auftaucht, laut der unabhängigen Sonderstaatsanwaltschaft zwar Teil der Ermittlungen, aber noch kein Verdächtiger.
Zu Wochenbeginn hatte das Nationale Antikorruptionsbüro der Ukraine (Nabu) den größten Korruptionsskandal in der Ukraine unter der Präsidentschaft von Wolodymyr Selenskyj. Die »Minditsch-Files« – benannt nach dem Hauptverdächtigen und engen Freund Selenskyj, Timur Minditsch – belegen, dass mehrere Personen bei der Auftragsvergabe und bei der Sicherheit von Energieanlagen rund 86 Millionen Euro an Schmiergeldern erpresst haben sollen. Minditsch hatte sich nur Stunden vor der Durchsuchung aus der Ukraine abgesetzt.
Selenskyj lobt Vermittler, die er eigentlich hasst
Am Mittwoch veröffentlichten Medien die Namen von insgesamt sieben Verdächtigen. Einer davon ist Ihor Fursenko, der als Geschäftsmann das »Backoffice zur Legalisierung der Mittel« geleitet haben soll. In den Mitschnitten der Korruptionsermittler beschwert sich Fursenko, dass das »Schleppen eines Kartons voller Geld keine besonders angenehme Aufgabe« sei. Den Ermittlern zufolge sollen die Verdächtigen die Schmiergelder auch in Plastiktüten transportiert haben.
Am Mittwoch stand mit dem ehemaligen Sicherheitsdirektor von Energoatom, Dmytro Basow, der erste Verdächtige vor Gericht. Während der Razzia soll Basow versucht haben, Beweise zu vernichten. Bei der Verhandlung am Mittwoch legte die Staatsanwaltschaft Mitschnitte vor, die darauf hindeuten, dass Selenskyj vom Korruptionsschema Minditschs gewusst haben könnte.
Selenskyj hatte zu den Untersuchungen gegen seinen Freund Minditsch zunächst geschwiegen und den Korruptionsermittlern anschließend in seiner Videoansprache den Rücken gestärkt, ohne dabei zu überzeugen. Schließlich hatte er selbst erst vor Kurzem versucht, das Nationale Antikorruptionsbüro der Ukraine aufzulösen. Auch die Tatsache, dass der Inlandsgeheimdienst SBU nur Stunden nach Bekanntwerden der Ermittlungen Vorwürfe gegen das Nabu lancierte, lässt viele Ukrainer an der Aufrichtigkeit ihres Präsidenten zweifeln.
Möglicherweise US-Hilfsgelder veruntreut
Den bisherigen Schaden konnte Selenskyj nicht begrenzen. Mehr noch, er könnte noch viel größer werden. Laut der Sonderstaatsanwaltschaft koordinierte Minditsch sein Korruptionsschema mittels Kontakten zu hochrangigen Staatsangestellten. Einer davon ist Ex-Verteidigungsminister Rustem Umerow, der sich am Dienstag nach Istanbul absetzte. Spekuliert wird, dass Selenskyj einen Vertrauten in Sicherheit bringen wollte. Und weitere Personen aus dem Präsidentenumfeld wie sein Büroleiter Andrij Jermak könnten bald ins Visier der Ermittler geraten.
Für Spekulationen sorgen auch weiterhin die bei Minditsch gefundenen vier Millionen US-Dollar. Eingeschweißt in Folien mit Stempeln verschiedener US-amerikanischer Städte handelt es dabei möglicherweise um US-Staatsgelder, die eigentlich als Hilfe in die Ukraine gelangten. Der mögliche Diebstahl von Hilfsgeldern hat bereits die US-Behörden auf den Plan gerufen, deren Ermittlungen gefährlich für die ukrainische Regierung werden könnten.
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