Mit der angeblichen Überforderung von Städten und Gemeinden bei der Aufnahme von Geflüchteten, wird seit geraumer Zeit Stimmung[1] für ausgrenzende Gesetze und Maßnahmen gemacht. Grenzkontrollen wurden auch damit begründet, dass sie den Städten eine »Atempause« verschafften. Die Einführung von Bezahlkarten sollte auch dafür sorgen, dass der Aufenthalt in Deutschland unattraktiver wird. Aber wie ist die Lage vor Ort wirklich? Sind die Kommunen mit der Unterbringung von Geflüchteten überfordert? Und wo sehen sie noch Probleme?
Das sind Fragen die Forscher*innen von der Universität Hildesheim in Zusammenarbeit mit dem Mediendienst Integration nun schon das dritte Jahr in Folge[2] gestellt haben. Einen entsprechenden Online-Fragebogen beantworteten in diesem Jahr fast 900 Kommunen bundesweit. Im Vergleich zu den beiden vergangenen Erhebungen[3] hat sich die Lage bei der Unterbringung entspannt, der
»Notfallmodus« wird immer mehr zur Ausnahme: Hatten 2023 noch rund 40 Prozent und 2024 etwa 23 Prozent der Kommunen einen solchen festgestellt, ist dieser Wert nun auf 11 Prozent gesunken. »Ohne größere Schwierigkeiten« können 17 Prozent der Kommunen Geflüchtete unterbringen. 2023 waren es nur 1,5 Prozent. Ein eindrücklicher Hinweis auf die Veränderung der Situation.
Boris Kühn von der Universität Hildesheim, der die Studie mitverfasst hat, schränkt allerdings ein: »Es wäre nicht richtig, von einer flächendeckend entspannten Lage zu sprechen.« Mehr als 70 Prozent der Kommunen bezeichnen ihre Situation als »herausfordernd, aber noch machbar«. Ein ähnlicher Wert wie in den vergangenen beiden Jahren. Knapp die Hälfte der Kommunen geben an, dass sich die Unterbringungssituation in den vergangenen 12 Monaten verbessert habe. 12 Prozent geben eine Verschlechterung an.
62 Prozent aller Kommunen bemühen sich um eine dezentrale Unterbringung in Wohnungen. Bei den Kleinstädten sind es sogar sieben von zehn. Zelte und Turnhallen spielen in der Unterbringung fast keine Rolle mehr (nur noch drei Prozent). Die Unterbringung in Wohnungen gestaltet sich aber weiter schwierig. Finn-Christopher Brüning vom Deutschen Städte- und Gemeindebund spricht von einer »Auszugskrise«. Zu viele Menschen konkurrierten um günstigen Wohnraum, den es allerdings kaum noch gäbe. Der Wohnungsmarkt habe sich in den vergangenen zehn Jahren »massiv verändert«. Selbstkritisch räumt Brüning ein, das Thema Wohnen sei bei den Kommunen »lange unterschätzt« worden. Niedrige Mieten und günstige Zinsen hätten dazu geführt, dass man keinen Druck verspürt habe.
Bei den Themen Schulen und Kitas, wo 27 bzw. 21 Prozent der Kommunen eine Überlastung beklagen, könne man den Kommunen »kaum einen Vorwurf machen«, so der Vertreter des Städte- und Gemeindebunds. In den Bereichen könne man »nur auf Sicht fahren«, der Zuzug durch Geflüchtete zuletzt sei nicht absehbar gewesen. Die Kitas entwickelten sich gut, so Brüning. Aber gerade im Bereich Schule gäbe es einen »massiven Personalbedarf«.
Personal wird auch dringend in den Ausländerbehörden gebraucht. Hier haben noch die meisten Kommunen große Probleme. Es zeigt sich zudem tendenziell ein Stadt-Land-Gefälle: 30 Prozent der Landkreise, gut 40 Prozent der
mittelgroßen Städte, aber mehr als 60 Prozent der Großstädte sehen ihre Ausländerbehörden »im Notfallmodus«.
Apropos Notfall: Die Wissenschaftler*innen fragten auch, ob sich Kommunen auf steigende Zahlen von Geflüchteten vorbereiten. Die Zahlen können »erstaunen«, wie Boris Kühn von der Uni Hildesheim berichtet. Etwa 65 Prozent der Kommunen hätten geantwortet, darauf vorbereitet zu sein, etwa durch das Vorhalten von Räumlichkeiten in bestehenden Gebäuden oder mit fertigen Notfallplänen. Das heißt aber auch, dass sich 35 Prozent nicht vorbereiten. Kühn hat dafür zwei Erklärungsansätze. Kommunen verzichteten entweder aufgrund angespannter Haushalte und weil die Kosten für Überkapazitäten nicht übernommen würden. Die andere Erklärung ist noch simpler: Die Kommunen glaubten nicht an steigende Zahlen von Geflüchteten. Wenn doch, müssten Erstaufnahmeeinrichtungen als Puffer fungieren.