nd-aktuell.de / 12.11.2025 / Berlin

Berlin: 175 000 Unterschriften für autofreies Ringgebiet

Initiative »Berlin autofrei« bereitet Unterschriftensammlung für Volksbegehren vor

Leonie Hertig
Sollte »Berlin Autofrei« mit seinem Volksbegehren erfolgreich sein, könnten Staus wie hier an der Leipziger Straße Mitte Geschichte sein.
Sollte »Berlin Autofrei« mit seinem Volksbegehren erfolgreich sein, könnten Staus wie hier an der Leipziger Straße Mitte Geschichte sein.

Nachdem der Gesetzesentwurf der Initiative »Berlin autofrei« im Abgeordnetenhaus nicht angenommen wurde, leitet die Initiative die nächsten Schritte für ein Volksbegehren[1] ein. »Wir freuen uns darauf, dass wir nun die Möglichkeit haben, die Entscheidung direktdemokratisch als Bürger*innen zu treffen«, sagt Marie Wagner, Sprecherin vom Verkehrsentscheid zu »nd«. Zuvor müssen aber ab Januar 175 000 Unterschriften innerhalb von vier Monaten gesammelt werden. Wagner zeigt sich optimistisch: »Wir kriegen das hin.« Bis dahin freue man sich über neue Mitglieder, Ehrenamtliche und Spenden.

Die Initiative »Berlin autofrei«[2] strebt an, innerhalb des S-Bahn-Rings den Autoverkehr auf das Nötigste zu reduzieren. Nach einer Übergangsphase von vier Jahren sollen Autos uneingeschränkt nur für notwendige Fahrten benutzt werden dürfen. Dazu gehören die Mobilität von Menschen mit körperlichen Einschränkungen und Behinderungen, Rettungs- und Pflegedienste, Wirtschafts- und Lieferverkehr sowie Taxis und Transporte für schwere Lasten. Alle weiteren Fahrten sollen von einem Kontingent von zwölf mal 24 Stunden pro Jahr pro Person abgedeckt werden. Das entspräche 48 Fahrten pro Jahr für eine vierköpfige Familie.

Johannes Kraft (CDU) sagte im Abgeordnetenhaus, dass der Entwurf »ungerecht« sei, neue Barrieren schaffe und zahlreiche Probleme aufwerfe. Wagner weist die Vorwürfe zurück. »Nicht der Gesetzesentwurf ist ungerecht, sondern die aktuelle Verkehrspolitik[3], die nur das Auto in den Mittelpunkt stellt statt der Menschen. Wir sind nicht gegen das Auto. Daher sollen alle Menschen über das Gesetz entscheiden dürfen und diejenigen, die wirklich darauf angewiesen sind, haben endlich freie Fahrt«, so Wagner.

Laut dem Abgeordneten Kraft sei es wichtig, »über die Mobilität aller Menschen in dieser Stadt zu sprechen.« Daher sei das Ziel der CDU, den Ausbau des ÖPNV voranzutreiben. Zuletzt wurde die Koalition für die Fahrpreiserhöhungen 2026 kritisiert[4]+. Dazu gehören das Streichen der 7-Tage-Karten, der Jahreskarten, des Seniorentickets sowie die Erhöhung des Einzelfahrscheins auf 4 Euro und des Sozialtickets um 45 Prozent auf 27,50 Euro. Die neuen Preise gelten ab 1. Januar 2026.

Andreas Knie, Mobilitätsexperte und Soziologe an der TU, sieht Krafts Aussagen kritisch: »Dass die CDU den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel vorantreibt, stimmt nicht.« Stattdessen investiere sie in sinnlose Neubauten wie die Verlängerung der U3[5] vom Bahnhof Krumme Lanke zum Mexikoplatz. »Es werden keine Gelder mehr für die BVG eingesetzt, stattdessen muss die BVG aus ihrem Bestand sinnlose Projekte finanzieren.«

Kraft begründete seine Position gegen den Gesetzesentwurf damit, dass der ÖPNV bereits jetzt an seine Grenzen stoße und daher Menschen auf ihr Auto angewiesen seien. Darauf erwiderte Knie: »Die Aussage ist nicht stimmig. In den öffentlichen Verkehrsmitteln ist die Belastung akzeptabel, denn die Auslastungsquote liegt bei weniger als 20 Prozent. Bei allen Verkehrsmitteln, zu allen Zeiten, haben wir noch Kapazität, besonders wenn Fahrgäste etwas Flexibilität mitbringen«.

Knies Arbeitsgruppe beschäftigte sich unter anderem mit den Auswirkungen des Verhaltens von Autobesitzern innerhalb und außerhalb des Rings. So besitzen 1000 Bürger*innen außerhalb des S-Bahn-Rings durchschnittlich 330 Autos. Diese benutzen sie häufig, um innerhalb des Rings einkaufen zu fahren und zur Arbeit zu kommen. Durchschnittlich nutzen 14 Prozent der Autobesitzer*innen das Auto täglich oder fast täglich.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192158.verkehr-volksentscheid-berlin-autofrei-auto-senat-abgewatscht.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190281.klima-verhandlungsstart-berlin-autofrei.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193606.verkehrspolitik-a-rueckschlag-fuer-verkehrswende.html
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194107.nahverkehr-drastische-erhoehung-beim-sozialticket-in-berlin.html
  5. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194529.u-bahn-u-mexikoplatz-baustart-in-elf-monaten.html