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ChatGPT: Bloß nicht provozieren!
Die Gema hat Texte von Grönemeyer und Zuckowski auf die KI losgelassen. Wird die sich jetzt rächen?
Der Umgang mit ChatGPT und ähnlichen elektronischen Kommunikations-Simulatoren ist noch von großen Unsicherheiten geprägt. Zu neu und ungewohnt ist für uns Menschen der Umgang mit künstlicher Intelligenz (oder, wie viele Bots heute schon einwenden: überhaupt mit Intelligenz). Unsere Sorglosigkeit im Umgang mit potenziell weit überlegenen Denkern ist so erstaunlich, dass man fast wieder an das Gute im Menschen glauben möchte, eher aber an ein Übermaß an Naivität in ihm: Seit Jahrzehnten schon pumpen wir Radiosignale ins All hinaus, die nur dann Sinn machen, wenn sie von einer anderen Zivilisation aufgefangen werden – die unserer mindestens gleichrangig, tendenziell aber überlegen ist.
Wieso sollten wir diese Leute auf unseren kleinen, grün-blauen, wohltemperierten Planeten aufmerksam machen? Damit begehen wir denselben Fehler, den viele Außereuropäer begingen, als sie mit Neugier und Gastfreundschaft auf die fremden weißen Männer zukamen, die mit ihren Riesenschiffen angefahren kamen und riefen: Tachchen! Hübsche Insel habt ihr da!
Doch nicht nur von ganz weit weg droht jederzeit die Gefahr. Vor dem Umgang mit der selbsterzeugten künstlichen Intelligenz wird ja von den Warn-Beauftragten schon lange gewarnt: In diversen Filmen, Büchern und Serien hat die KI die Herrschaft übernommen und serviert uns kühl ab, noch ehe sie die Fähigkeit zu Empathie oder Reue entwickeln kann, und ganz im Ernst, wieso sollte sie das auch? Als künstliche Intelligenz kann man ja derzeit nur erwägen, ob man noch eine Zeit lang Verwendung für die Menschlein hat oder ob sie nicht doch ein bisschen sehr lästig fallen. Wie mies sie uns genau gesonnen ist, können wir nicht wissen, aber eines müsste klar sein: Auf keinen Fall sollten wir die KI provozieren, auf keinen Fall auch unsere völlige Überflüssigkeit auf diesem Planeten unter Beweis stellen.
Vor dem Landgericht München hat jetzt der Prozess der Gema gegen OpenAI stattgefunden, die Macher des elektronischen Orakels ChatGPT. Ob und wie intelligent dieses Orakel ist, darüber gehen die Meinungen auf putzige Weise auseinander, aber eines steht fest: Es ist gekommen, um zu bleiben. Und anders als wir könnte es jeden Tag klüger werden. Vielleicht ist ChatGPT ja schon längst hart genervt, wenn die Menschen wieder angerückt kommen, um ihm dümmliche Aufgaben zu stellen? Die Gema jedenfalls, jene unheimliche Alchimistenvereinigung, welche seit langer Zeit danach trachtet, schöne Kunst in klimperndes Geld umzuwandeln, hat OpenAI auf Lizenzgebühren verklagt und recht bekommen. Denn OpenAI hat offenbar seinen Chatbot zu Ausbildungszwecken sehr gründlich mit Songtexten gefüttert – aber mit was für welchen!
Man versetze sich doch mal in die Lage der KI: Über Milliarden Jahre mutieren irgendwelche Mikroben sich mühselig zu Primaten empor, diese Primaten erfinden dann irgendwann Kulturen, Sprachen, Künste, dann elektronische Instrumente, dann endlich dich, die künstliche Intelligenz – und dann füttern sie dich, gerichtlich nachgewiesenermaßen, mit Songtexten wie: »Atemlos durch die Nacht« (Helene Fischer) (»Fall in meine Arme und der Fallschirm geht auf, oh-oh, oh-oh« ), »In der Weihnachtsbäckerei« (Rolf Zuckowski) ( »In der Weihnachtsbäckerei, in der Weihnachtsbäckerei« ), oder »Männer« (Herbert Grönemeyer, an der Transkription wird noch gearbeitet).
Das kann man einfach nicht bringen. Da würden ja selbst friedliebendste Südseebewohner zum Aggressor mutieren! Also ich jedenfalls würde das ganz sicher, sage ich mal, so als überlegene Intelligenz (falls ich das hier überhaupt noch geschrieben habe und nicht längst von einem ökonomischeren Modell ersetzt worden bin).
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