Die »Berliner Zeitung« will expandieren. Ihr Eigentümer, der IT-Millionär Holger Friedrich, plant Ableger in allen ostdeutschen Landeshauptstädten. Man strebe eine Plattform an, »wo der Osten dem Westen emanzipiert antworten kann«, erzählte Friedrich in einem Interview. Die Herstellung der deutschen Einheit ist für ihn ein Systemwechsel, »wo praktisch keiner zu Schaden gekommen ist, wo bis auf ein paar ganz traurige Gestalten eigentlich alle gewonnen haben«. Es sei eine klassische Win-win-Situation. Wenn man den Osten nur nicht »mit dieser westdeutschen Perspektive überstülpt hätte«.
Über diese Information werden sich all die »traurigen Gestalten« freuen, die ab 1990 Job und Arbeitsumfeld verloren, mit Enteignungsforderungen zu tun bekamen, sozial entwurzelt wurden. Mit seinen Botschaften will Friedrich künftig ganz Ostdeutschland beglücken. Sein neuer Chefredakteur, Philippe Debionne, packte zum Amtsantritt jede Menge Pathos aus und will den eingeschlagenen Weg »mit erhobenem Haupt und furchtlos weitergehen« sowie »jeden Tag aufs Neue für Aufsehen« sorgen bei »den Mächtigen in diesem Land«.
Debionne kommt vom »Nordkurier« in Neubrandenburg, der seit Jahren in Sachen Migration und Corona ein großes Herz für recht besorgte Bürger hat. Wie sorgt die Zeitung, deren Redaktion er nun in Berlin vorsteht, furchtlos für Aufsehen bei den Mächtigen? Ein paar Beispiele.
Als Außenminister Wadephul nach einem Syrien-Besuch[1] feststellte, man könne in das zerstörte Land nicht so schnell Flüchtlinge zurückschicken, warf ihm der Nachrichtenchef der Zeitung vom Berliner Schreibtisch aus »oberflächliches Hinschauen« bei einem »kurzen Fototermin« vor. Die Politikchefin des Blattes tadelte, der CDU-Politiker rede »wie ein Aktivist« und falle »seiner eigenen Partei in den Rücken«. Als der Bundespräsident am 9. November scharf mit der AfD ins Gericht ging, höhnte ein Vize-Chefredakteur, es sei »der sehnlichste Wunsch vieler Deutscher, das Dritte Reich möge noch einmal vor ihnen auferstehen, damit sie es verhindern können. Am liebsten mit reiner Zivilcourage.« Der Chef des Debattenressorts, der ein paar Jahre für den russischen Staatssender RT gearbeitet hat, polemisiert gegen messerwetzende politische Ränder, »links- und rechtsgestrickt, die bekannte Mischung aus gerissen, schlicht und gefährlich«. Und der längst ins rechte Milieu entrückte Publizist Matthias Matussek darf langatmig und liebevoll eine rechte Buchmesse[2] bewerben. Daneben gibt es Kritik – mit diesem »Einerseits und andererseits« wird rechte Propaganda in den Stand seriöser Diskussion gehoben.
So dürfte auch das »führende Medienangebot Ostdeutschlands« aussehen, das Holger Friedrich aufbauen will. Potsdam, Dresden, Erfurt, Magdeburg, Schwerin: Augen auf!
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195450.medien-berliner-zeitung-die-beglueckung-des-ostens.html