nd-aktuell.de / 13.11.2025 / Berlin

Ausbildungsplatzumlage: Angst vor der Abgabe

Unternehmen protestieren gegen geplante Ausbildungsumlage

Marten Brehmer
Zwei Auszubildende bei der Deutschen Bahn
Zwei Auszubildende bei der Deutschen Bahn

Bekommt Berlin eine Ausbildungsplatzumlage? Aktuell scheinen alle Zeichen darauf zu stehen. CDU und SPD hatten in ihrem Koalitionsvertrag verabredet, dass eine derartige Umlage in Kraft treten soll, sollten nicht bis Ende des Jahres 2000 zusätzliche Ausbildungsverträge abgeschlossen werden. Bislang weist wenig darauf hin, dass dieses Ziel erreicht werden wird. Im Abgeordnetenhaus wird daher aktuell bereits ein Gesetzesentwurf der Senatssozialverwaltung diskutiert.

Mit dem Näherrücken der Umlage wird auch der Widerstand gegen sie lauter. »Wir bitten Sie eindringlich, auf das Instrument der Ausbildungsplatzumlage zu verzichten«, heißt es in einem offenen Brief von den nach eigenen Angaben größten privaten Arbeitgebern Berlins, darunter die Supermarktkette Edeka, der Brausehersteller Coca-Cola und die Deutsche Bank. Man sei »in größter Sorge« heißt es weiter.

Die Angst der Unternehmer: Eine Ausbildungsplatzumlage könnte sie über die Maße belasten und bürokratischen Aufwand schaffen. Vorgesehen ist dem Gesetzesentwurf nach, dass alle Unternehmen 0,46 Prozent ihrer Bruttolohnsumme an einen Fonds abführen. Berücksichtigt werden sollen dabei nur Unternehmen mit mindestens einem Mitarbeiter, deren Bruttolohnsumme oberhalb einer noch festzulegenden Bagatellgrenze liegt. Aus dem Fonds heraus soll dann eine Erstattung an all jene Unternehmen gezahlt werden, die mindestens einen Auszubildenden beschäftigen. Zudem sollen überbetriebliche Ausbildungsmaßnahmen aus dem Fonds finanziert werden[1].

Auf diesem Weg, so die Hoffnung von Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD), sollen die Unternehmen ermutigt werden, mehr auszubilden. Bislang steht Berlin bei den abgeschlossenen Verträgen im bundesweiten Vergleich am Ende der Tabelle. Während zuletzt 3835 junge Menschen am Ende der Bewerbungsphase ohne Ausbildungsplatz dastanden, blieben parallel 887 Ausbildungsstellen unbesetzt.

»Die Abgabe fühlt sich wie eine Strafe an«, sagte Christian Schenke am Donnerstag vor dem Arbeitsausschuss des Abgeordnetenhauses. Der Gastronom hat vier Betriebe in Berlin gegründet. In seiner Branche arbeite man ohnehin mit kleinen Profitmargen. »Die Abgabe würde die noch weiter drücken«, sagte er. Die Folge: Unternehmen müssten sich überschulden oder den Betrieb gleich ganz aufgeben.

Dabei bemühte sich die Branche seiner Beobachtung nach durchaus um Nachwuchs. »Wir bieten Plätze an, aber es bewirbt sich niemand« – so habe es ihm ein anderer Gastronom gesagt. Viele Jugendliche hätten kein Interesse an einer dualen Ausbildung, weil sie ungelernt in Aushilfsjobs oft mehr verdienten als während der Lehrjahre. Oft seien die Bewerber zudem ungeeignet. »In der Schule wird nicht ausreichend auf die Ausbildung vorbereitet«, monierte Schenke.

Unterstützung für das Vorhaben kommt dagegen von den Gewerkschaften. Der Gesetzesentwurf sei »eine gute Grundlage, auf der man aufbauen kann«, sagte Nele Techen, stellvertretende Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg, vor den Abgeordneten. »Es stimmt nicht, dass es keine Bewerber gibt.« Auf 100 Ausbildungsplätze kämen demnach 166 Bewerber. Das Gesetz würde dabei helfen, mehr Fachkräfte für den Arbeitsmarkt auszubilden. Davon würden am Ende auch die Unternehmen profitieren. Bislang sei die Situation ungerecht: »Wir können nicht akzeptieren, dass ein Großteil der Unternehmen selbst nicht ausbildet, aber dann die ausgebildeten Mitarbeiter abwirbt«, so Techen.

Ganz zufrieden ist Techen mit dem Gesetzesentwurf allerdings nicht. In dem ist festgelegt, dass der Kostenausgleich, den die ausbildenden Unternehmen erhalten sollen, auf einen Pauschalbetrag pro Auszubildenden und Ausbildungszeit festgelegt werden soll[2]. Für Techen bedeutet das, dass der Staat damit auch Unternehmen subventionieren würde, die Dumpinglöhne zahlen. »Wer nach Tarif bezahlt, solle nicht schlechter gestellt werden«, so Techen. Die Höhe der Ausgleichsbeträge sollte daher an die Höhe der Ausbildungsvergütung geknüpft werden. Ähnliches fordert auch die Linkspartei.

Der Berliner Vorschlag für die Ausbildungsplatzumlage orientiert sich an Bremen, wo eine solche Umlage schon 2023 beschlossen wurde. Die Einführung sei von »Kinderkrankheiten« begleitet gewesen, berichtete Gunnar Isenberg, Staatsrat für Arbeit und Soziales – das Äquivalent zu einem Staatssekretär – in der Hansestadt. Zunächst klagten mehrere Unternehmer gegen das Gesetz. »Wir haben alle Verhandlungen gewonnen«, sagte Isenberg. Allerdings nur knapp: Vier Verfassungsrichter hielten das Gesetz für konform mit der Landesverfassung, drei gaben ein gegenteiliges Minderheitenvotum ab. Aktuell liegen noch 350 Klagen gegen Einzelbescheide vor Bremer Verwaltungsgerichten. »Wir gehen sehr positiv in diese Entscheidungen rein«, gab sich Isenberg optimistisch.

Weil die betroffenen Unternehmen die Abgabe erst zahlen müssen, wenn der Bescheid rechtskräftig wird, fehlte dem Fonds zeitweise das Geld, um den Kostenausgleich zu zahlen. »Rückblickend hätten wir den Fonds von Anfang an mit einer Grundliquidität ausstatten müssen«, sagte Isenberg. Zudem hätte man festlegen müssen, dass die Klagen gegen die Einzelbescheide keine aufschiebende Wirkung erzielen.

Manja Schreiner, die Geschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer, befürchtet, dass in Berlin die Zahl der Klagen deutlich höher liegen würde, weil es in der Hauptstadt deutlich mehr Unternehmen gibt. Sie glaubt, dass manche Unternehmen nicht nur den Klageweg wählen könnten, sondern sich gleich ganz aus Berlin verabschieden würden. »Es gibt 4400 Start-Ups in Berlin«, sagte sie. »Diese Unternehmen sind nicht ortsgebunden.« Gegenüber der IHK hätten mehrere Unternehmen angekündigt, ihren Sitz in andere Bundesländer verlagern zu wollen, sollte die Umlage kommen.

»Wir können nicht akzeptieren, dass ein Großteil der Unternehmen selbst nicht ausbildet, aber dann die ausgebildeten Mitarbeiter abwirbt.«

Nele Techen DGB Berlin-Brandenburg

»Die Behauptung, dass Unternehmen jetzt abwandern werden, halte ich für unwahrscheinlich«, entgegnete der Bremer Staatsrat Gunnar Isenberg. »Fachkräfte sind ein entscheidender Standortfaktor.« Für viele Unternehmen sei es wichtiger, auf ausgebildete Mitarbeiter zurückgreifen zu können, als eine vergleichsweise geringe Abgabe zahlen zu müssen.

In der Baubranche existiert eine Ausbildungsumlage schon seit den 1970er-Jahren. Christine Heydrich ist Geschäftsführerin der Sozialkasse, die den Umlagefonds verwaltet. Ihrer Beobachtung nach nimmt die Akzeptanz der Umlage unter den Unternehmern mit der Zeit zu. »Inzwischen meldet sich der Großteil der Betriebe selbst zum Verfahren an«, sagte sie vor den Abgeordneten. Ihrer Beobachtung nach habe es nach Einführung der tariflichen Umlage tatsächlich einen höheren bürokratischen Aufwand für die Unterenehmen gegeben. Doch inzwischen hätte man sich an das jährliche Verfahren gewöhnt. »Nach drei bis vier Jahren wird der Aufwand immer kleiner«, so Heydrich.

In der Baubranche fließen zwei Drittel des im Fonds gesammelten Kapitals an die Betriebe zurück. Das verbleibende Drittel wird genutzt, um überbetriebliche Ausbildung zu finanzieren. Dazu gehört etwa ein Ausbildungszentrum, in das Unternehmen einen Teil der Ausbildung auslagern können.

Ähnliches ist auch im Gesetzesentwurf für die branchenübergreifende Ausbildungsumlage vorgesehen. Möglich wäre etwa, Fortbildungen für Ausbilder aus dem Topf zu finanzieren, so Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe. So könne die Qualität der Ausbildung verbessert werden.

Eine branchenspezifische Umlage, wie es sie im Baubereich gibt, könnte für die Unternehmen eine Möglichkeit sein, sich der gesetzlichen Umlage zu entziehen. »Wir plädieren immer dafür, dass die Sozialpartner untereinander zu Lösungen kommen«, sagte DGB-Vize Nele Techen. Bisher seien Bemühungen der Gewerkschaften in diese Richtung aber nicht auf große Resonanz der Unternehmen gestoßen. »Falls Branchen-Lösugnen präferiert werden: Unsere Mitgliedsgewerkschaften sind offen dafür«, sagte sie in Richtung der Unternehmer.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192516.arbeit-in-berlin-ausbildungsplatzumlage-das-steht-im-schwarz-roten-gesetzentwurf.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194584.arbeit-im-sturm-ins-parlament-cdu-steht-zur-ausbildungsplatzumlage.html