Welche Risiken birgt es, wenn Hamburg zum Austragungsort von Olympia wird?
Seit München 1972[1] ist Olympia ein Hochsicherheitsevent, das 2024 in Paris[2] mit 75 000 Sicherheitskräften abgesichert wurde; das sind mehr als zweimal so viel wie beim G20-Gipfel in Hamburg[3]. In Paris gab es im Zusammenhang damit 30 Tage lang über 227 Kilometer Absperrgitter und Sperrzonen um die Sehenswürdigkeiten sowie um die über die Stadt verteilten Sportstätten und das olympische Dorf. Für das »Event Delivery« wird es »Olympic Lanes« geben. In Paris waren das 185 Kilometer, um 261 000 Akkreditierte exklusiv durch die Stadt zu kutschieren. Angewendet auf unsere kleine Stadt mit wenigen Magistralen, der Notwendigkeit von Ost-West-Querungen und Elbquerung verspricht das Verkehrschaos. In Barcelona, Sydney, London und Pyeongchang hat sich jeweils eine deutliche Verteuerung der Immobilien und Mieten gegenüber vergleichbaren Städten eingestellt. Das Leben wird noch teurer[4] in Hamburg. Bei einer ohnehin angespannten Mietlage keine gute Idee.
Neuesten Umfragen zufolge ist die Olympia-Begeisterung in Hamburg gering. Warum halten Ihrer Einschätzung nach der Senat und die Medien an der Bewerbung fest?
Hamburg investiert dieses und nächstes Jahr 18 Millionen Euro, um massive olympische Zerrbilder[5] in die Hamburger Hirne und Herzen zu massieren. Zu den Zerrbildern gehören Spiele, die Gewinne abwerfen, ein Leichtathletikstadion, das kein Neubau ist, sondern eine getarnte Multifunktionsarena, die schon immer geplant war und daher dann aus den olympiabedingten Kosten verschwindet. Es gibt also keinen Zweifel, dass dem Senat alle Mittel recht sind, um zu gewinnen. Ob es demokratisch und fiskalisch vernünftig ist, so zu handeln, weiß er allein.
Sie haben im Namen von NOlympia erklärt, dass die Olympia-Bewerbung dem Geist des »Zukunftsentscheids«[6], dem zufolge in Hamburg die Klimaneutralität fünf Jahre früher als bundesweit erreicht werden soll, diametral entgegenstehe. Was meinen Sie damit?
Der Zukunftsentscheid erfordert Millionen an Haushaltsmitteln, um eine sozialverträgliche Transformation hin zu mehr Klimaschutz zu begleiten. Darüber jammert der Senat. Gleichzeitig will er, ohne mit der Wimper zu zucken, sechs Milliarden Euro in die Hand nehmen für ein 30-Tage-Event. Die Prioritäten der Hamburger sind klar. Sie sind mit Olympia unvereinbar. Deshalb liegen sie diametral gegenüber. Wenn der Elefant Olympia in die Haushaltsbadewanne steigt, dann bleibt wenig Wasser übrig.
Während Hamburgs Sport wieder Feuer und Flamme für Olympia ist, sind Sie als ehemaliger Leistungssportler dagegen. Was ist bei Ihnen schiefgelaufen?
Sport ist größer als Olympia. Olympia ist keine Sportart, sondern eine Plattform, die Sportarten zusammenbindet und als Mehr-Tage-Event vermarktet. Es gibt Alternativen wie die European Championships und das Deutsche Turnfest. Keine ist perfekt. Aber jede enthält Ansätze, die spezifische Probleme Olympischer Spiele besser lösen. Die Ergebnisse der aggressiven olympischen Lobbyarbeit verstellen den Blick auf Alternativen.