nd-aktuell.de / 14.11.2025 / Wirtschaft und Umwelt

Staatsgarantien statt Luxussteuer

Die Bundesregierung spielt bisher keine positive Rolle beim neuen Fond zum Tropenwaldschutz

Jörg Staude
Friedrich Merz versprach Staatspräsident Lula in Belém Gelder für den Tropenwaldfonds.
Friedrich Merz versprach Staatspräsident Lula in Belém Gelder für den Tropenwaldfonds.

Am neuen internationalen Tropenwaldfonds TFFF will sich Deutschland mit einem »namhaften« Beitrag beteiligen. Das zumindest hatte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) auf dem sogenannten Leaders Summit in Belém angekündigt. Eine konkrete Summe nannte der Leader Merz nicht. [1]

Seither schießen die Spekulationen ins Kraut: Auf eine Milliarde US-Dollar habe sich die Regierung geeinigt, hieß es zunächst. Doch auch Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD), der am Wochenende beim Klimagipfel COP 30 in Brasilien eintraf, hat, wie zu hören ist, nicht mehr als die vage Zusage des Kanzlers in der Tasche. So schnell es geht, solle aber eine Lösung gefunden werden, heißt es in Berlin.

Bis zum Ende der Klimakonferenz wird Schneider aber aller Voraussicht nach keine konkrete Zahl verkünden können. Davon geht jedenfalls Germanwatch aus. Innerhalb der Bundesregierung scheine es noch keine Einigung gegeben zu haben, teilte die Umwelt- und Entwicklungsorganisation auf nd-Nachfrage mit. Zusammen mit einem Dutzend anderer Organisationen fordert die NGO in einem offenen Brief an Merz 2,5 Milliarden Dollar als deutschen Beitrag zum Tropenwaldfonds. Damit könne nicht nur das »Momentum« des TFFF beibehalten werden, sondern Deutschland hätte dann mit einem Sitz im Vorstand auch Einfluss auf die Ausgestaltung des Fonds.

Ohne Deutschland wurden in Belém bisher 4,5 Milliarden Dollar zugesagt[2], von Brasilien, Indonesien, Frankreich und – mit dem Löwenanteil von drei Milliarden – Norwegen. Sind 10 Milliarden zusammen, soll der Fonds seine Arbeit aufnehmen. Die Finanzierungsidee besteht darin, mit den garantierten und niedrig verzinsten Staatsgeldern preiswert private Geldgeber zu gewinnen, um so die öffentlichen Mittel zu »hebeln«, wie es bei solchen zunehmend beliebten Konstrukten heißt. Im Endausbau soll die TFFF aus 25 Milliarden Dollar öffentlicher plus 100 Milliarden privater Gelder bestehen. Damit sollen dann insbesondere an Finanzmärkten von Schwellenländern Gewinne entstehen, mit denen sich nicht nur die Zinsen der Geldgeber bedienen lassen, sondern auch bis zu vier Milliarden Dollar für den Tropenwaldschutz »übrigbleiben«. Daraus soll sich wiederum ein Zuschuss von vier Dollar pro Hektar Regenwald speisen. Den erhalten Länder, deren Entwaldungsrate unter 0,5 Prozent liegt. Jeder Hektar abgeholzter Wald würde das Land hingegen 140 Dollar Strafe kosten.

In ihrem Brief bezeichnen die NGOs den TFFF als mutigen und innovativen Mechanismus zum Schutz der Tropenwälder. Er eröffne ein neues Kapitel nachhaltiger Finanzierung. Inwieweit Finanzmärkte generell und die der Schwellenländer im Besonderen das Siegel »nachhaltig« verdienen, ist allerdings zweifelhaft. Für Germanwatch muss eine konkrete deutsche Zusage an klare Bedingungen geknüpft sein, wie das auch Norwegen getan habe. Die Organisation sieht beim TFFF noch viel Nachbesserungsbedarf, so fehlen bislang Umwelt- und Sozialstandards bei den Vergabekriterien.

Der größte Vorteil des TFFF ist, dass es nur um den Waldschutz geht und der Fonds nicht mit Klima-Kompensation und entsprechend handelbaren CO2-Zertifikaten verknüpft ist. Frühere Ansätze dieser Art seien stark an eine Emissionsreduktion gebunden gewesen, betont Jonas Hein vom Entwicklungsforschungsinstitut IDOS. Im Vordergrund beim TFFF stehe, die Entwaldung zu verringern. Positiv bewertet der Geograf auch, dass 20 Prozent der Einnahmen an indigene Gruppen und lokale Gemeinschaften gehen sollen.

Allerdings hat der IDOS-Experte zugleich Bedenken, ob der Fonds wirklich funktioniert. Es habe ja Gründe, dass ein Land wie Norwegen bessere Bewertungen auf den Finanzmärkten habe als etwa die Schwellenländer – letztlich spiegle sich darin das geringere Ausfallrisiko norwegischer Anleihen wider. Das größere Risiko in den Schwellenländern könne dann dazu führen, dass der TFFF nicht die nötigen Gewinne erzielt. Hein hält zudem die geplante Zahlung von vier Dollar pro Hektar für viel zu niedrig. Dieser Betrag entspreche nicht den sogenannten Opportunitätskosten durch entgangene Gewinne. Damit verweist der IDOS-Experte auf den Umstand, dass sich mit einer anderen Waldnutzung – wie eben Abholzung oder Umwandlung in Weideland – deutlich mehr Einnahmen erzielen ließen. Hein sieht die Kosten für den Erhalt eines Hektars Tropenwald eher bei 30 bis 40 Dollar. Realistisch gesehen könnten Forstbehörden oder Initiativen in den Tropenländern mit den vier Dollar zwei bis drei Waldschützer mehr einstellen – das Geld aus dem TFFF könne so nur ein zusätzlicher Beitrag zu dem eigenen Engagement der betroffenen Länder sein, betont der IDOS-Experte.

Die Mittel der Bundesregierung dürfen nicht lediglich Renditen für private Investoren absichern, fordert Katrin Uhlig, die für die Grünen im Haushaltsausschuss des Bundestages sitzt. »Wichtig ist, dass jeder Euro nachvollziehbar dort ankommt, wo er gebraucht wird: beim Schutz der Regenwälder und bei den Menschen vor Ort«, betont Uhlig.

Im Vorfeld des Gipfels waren auch andere Finanzquellen für den Waldschutz im Gespräch gewesen, etwa eine Luxussteuer für Privatjets und für Flugtickets der Business-Klasse. [3]Auf der COP 30 selbst haben mehrere Staaten einen entsprechenden Finanzierungsvorschlag lanciert, allerdings bisher nicht mit Bezug zum TFFF, sondern allgemein zur Finanzierung von Klimaschutz und Entwicklung.

Deutschland gehört nicht zu den Unterstützern der Luxussteuer-Idee. Die Milliarden für den TFFF wird die Bundesregierung – in welcher Höhe auch immer – voraussichtlich auch nicht einfach dem Bundeshaushalt entnehmen. Germanwatch nimmt an, dass der deutsche Beitrag überwiegend aus zinsvergünstigten Krediten und Garantien über die staatliche Förderbank KfW bestehen wird. In diesem Fall wäre der Bundeshaushalt nicht direkt betroffen. Garantien erscheinen dort nur als »Ermächtigungen«. Erst wenn diese bei Kreditausfällen in Anspruch genommen würden, führten sie zu Zahlungen aus dem Bundeshaushalt. Eine ambitionierte Summe für den TFFF sollte daher auch in der gegenwärtig angespannten Haushaltslage möglich sein, schlussfolgert Germanwatch.

Diese Sachlage scheint sich bei Merz und Schneider noch nicht herumgesprochen haben. Wenn aber doch, dann weist das Fehlen der konkreten Summe eher darauf hin, dass Schwarz-Rot ein grundlegendes Problem mit dem Klimaschutz hat.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195348.entwicklungszusammenarbeit-finanzielle-triage.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195307.fonds-zum-erhalt-der-tropenwaelder-regenwaelder-bekommen-eigenen-finanzmechanismus.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195331.cop-laender-wollen-fuer-steuer-auf-luxus-flugreisen-werben.html