nd-aktuell.de / 14.11.2025 / Berlin

Liebknecht-Luxemburg-Ehrung akut gefährdet

Baustelle versperrt Weg zum Friedhof Friedrichsfelde, Bezirksamt verweigert Genehmigung für Stände

Andreas Fritsche
Ein Bauzaun verstellt noch immer den direkten Weg zur Gedenkstätte der Sozialisten.
Ein Bauzaun verstellt noch immer den direkten Weg zur Gedenkstätte der Sozialisten.

Nur eine einzige gute Nachricht gibt es für die traditionelle Liebknecht-Luxemburg-Ehrung, die am 11. Januar 2026 stattfinden soll: Die Bauarbeiten an den Straßenbahngleisen[1] der Gudrunstraße, die im Januar 2025 den Zugang zur Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Berliner Friedhof Friedrichsfelde[2] einschränkten, sind abgeschlossen. Menschen, die schon am frühen Morgen vom Bahnhof Lichtenberg zum stillen Gedenken streben oder die sich etwas später der Demonstration anschließen, könnten auf der gesamten Breite der Fahrbahn laufen.

Doch mehrere Hiobsbotschaften machen die Freude darüber zunichte. Denn der Vorplatz des Friedhofs ist nach wie vor eine große Baustelle. Die Arbeiten zu seiner Umgestaltung, die eigentlich längst abgeschlossen sein sollten, ziehen sich nicht nur hin – sie ruhen offenbar. Vergangenes Jahr klaffte hier eine große Baugrube. Sie wurde dann auf Veranlassung der Polizei kurz vor der LL-Demonstration mit Schotter aufgefüllt[3], damit die Demonstration ungehindert den Haupteingang passieren konnte.

Derzeit ist die Fläche nur zum kleinen Teil mit neuen Pflastersteinen ausgelegt. Ein Bauzaun schirmt das Areal ab, die großen Tore zur Gedenkstätte sind versperrt. Wie schon Ende 2024 gibt es nur einen schmalen Fußweg, der durch das kleinere Tor links des großen Haupteingangs auf das Friedhofsgelände führt, und daneben noch eine allerdings sehr schmale Zufahrt für Kraftfahrzeuge. Beide zusammen sind nicht ausreichend, wenn am 11. Januar die Demonstration ankäme und sich tausende Menschen hier in kurzer Zeit hindurchzwängen müssten.

Wird noch eine Lösung gesucht und gefunden? Auf nd-Nachfrage heißt es am Freitag aus dem Bezirksamt Lichtenberg, man verstehe »die Bedeutung der Liebknecht-Luxemburg-Ehrung und die große Symbolkraft des Zugangs zur Gedenkstätte der Sozialisten sehr gut«. Umso bedauerlicher sei es, dass der ursprünglich geplante Fertigstellungstermin für die Neugestaltung des Vorplatzes nicht gehalten werden könne. »Der ausführenden Firma musste wegen mangelhafter Leistungen gekündigt werden. Dadurch ist der Bauablauf massiv ins Stocken geraten.«

Nach sorgfältiger Prüfung stehe fest: »Ein sicheres, großflächiges Provisorium – wie es für eine Demonstration mit mehreren tausend Teilnehmenden erforderlich wäre – lässt sich bis Januar 2026 weder finanziell noch vergaberechtlich fristgerecht realisieren. Kleinere Lösungen reichen für die geforderten Sicherheitsstandards der Polizei leider nicht aus.« Dann heißt es noch, das Bezirksamt stehe dazu weiterhin im engen Austausch mit der Polizei. Der Ort sei von »herausragender historischer Bedeutung« und es solle dafür gesorgt werden, »dass er langfristig würdig, zugänglich und gut gestaltet sein wird«.

Gebraucht wird aber erst einmal eine kurzfristige Lösung. »nd« wurde in der vergangenen Woche von Ellen Brombacher vom Bündnis LL-Demo[4] auf die noch immer vorhandene Baustelle aufmerksam gemacht. Bevor sich das angefragte Bezirksamt am Freitag endlich äußerte, wurden »nd« zuletzt von verschiedener Seite noch Absagen zugeleitet, die mehrere Anmelder von Info- und Verkaufsständen erhalten hatten.

»Letztes Jahr ist es gelungen, eine Lösung mit dem Bezirksamt zu finden. Ich gehe davon aus, dass noch genug Zeit ist, eine Zuwegung hinzubekommen.«

Bjoern Thielebein Linke-Landesgeschäftsführer

So hieß es in einem an Thomas Hecker, den Bundessprecher der Kommunistischen Plattform der Linken, gerichteten Schreiben, »dass mit derzeitigem Stand die kommende Gedenkveranstaltung ›Karl & Rosa 2026‹ unter den bisherigen Bedingungen nicht stattfinden kann«. Deshalb werde es vorerst keine Genehmigungen für Stände auf der Gudrunstraße geben. Da die Bauarbeiten auf dem Friedhofsvorplatz nicht beendet seien, würde die Durchführung des Gedenkens wie im bisherigen Umfang ein »nicht kalkulierbares Risiko« darstellen, heißt es da entschuldigend. Sollte sich die Lage ändern, werde Hecker zum nächstmöglichen Zeitpunkt darüber informiert.

Dem Linke-Landesgeschäftsführer Bjoern Thielebein ist es unverständlich, warum es keine Stände geben soll, da auf der Gudrunstraße zumindest weiter weg vom Eingang Platz sei. Fahradfahrend hatte Thielebein die Baustelle mehrmals gesehen. Er war vielleicht der Erste, der das heraufziehende Problem erkannte, als es schon auf den Dezember zuging und damit der Tag der Liebknecht-Luxemburg-Ehrung immer näherrückte. »Letztes Jahr ist es gelungen, eine Lösung mit dem Bezirksamt zu finden«, erinnert Thielebein, der damals persönlich bei Vor-Ort-Terminen dabei gewesen ist. »Ich gehe davon aus, dass noch genug Zeit ist, eine Zuwegung hinzubekommen.«

In Lichtenberg hat die dortige Linksfraktion für die Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung am 20. November beantragt, trotz der Bauarbeiten am Friedhof im Januar 2026 die Ehrung der am 15. Januar 1919 von rechten Freikorpssoldaten ermordeten Arbeiterführer Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg »zu gewährleisten«. Die Baustelle sei so herzurichten, »dass ein verkehrssicheres Begehen der Gedenkstätte, gegebenenfalls über provisorische Wege, möglich ist«, wird in dem Antrag gefordert.

Darüber hinaus will die Berliner Linke bei ihrem Parteitag an diesem Samstag einen Antrag abstimmen, der ebenfalls darauf abzielt, dass stille Ehrung und Demonstration stattfinden können. Landesgeschäftsführer Thielebein geht fest davon aus, dass dieser Antrag eine breite Mehrheit findet, wenn nicht sogar einstimmig beschlossen wird.

»Die Luxemburg-Liebknecht-Ehrung muss stattfinden!« So heißt es im Text. »Seit über 100 Jahren – unterbrochen nur durch die Nazizeit – ehren im Januar fortschrittliche Menschen, darunter viele Mitglieder unserer Partei, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.« Nun drohe erneut eine Unterbrechung.

Der Berliner Landesverband ist traditionell Veranstalter des stillen Gedenkens, bei dem dann die Spitzen von Bundespartei und Bundestagsfraktion sowie die Landesvorsitzenden aus Berlin und Brandenburg Kränze niederlegen. Auch die Rosa-Luxemburg-Stiftung lässt sich das natürlich nicht nehmen.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1187767.liebknecht-luxemburg-ehrung-berlin-mit-hindernissen-zu-karl-und-rosa.html?
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191775.zentralfriedhofs-friedrichsfelde-berlin-lichtenberg-sozialisten-graeber-mit-kot-beschmiert.html?
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188086.karl-und-rosa-weg-frei-zu-liebknecht-und-luxemburg.html?
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188158.luxemburg-liebknecht-gedenken-sorge-um-friedliche-ll-demonstration.html?