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Felix Mildenberger: Revolutionärer Dirigent streckt die Hand hin
Felix Mildenberger wird neuer Generalmusikdirektor des Brandenburgischen Staatsorchesters in Frankfurt (Oder)
2022 ist der noch junge Felix Mildenberger kurzfristig eingesprungen. Nur eine halbe Stunde blieb für das Einspielen. Dennoch habe Mildenberger das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt (BSOF) präzise und feinsinnig dirigiert. Dabei handelte es sich um ein ausgesprochen kompliziertes Musikstück. Sich unter schwierigen Bedingungen daran zu wagen, dazu habe Mut gehört. Intendant Roland Ott schwärmt noch heute davon. Das Klangempfinden Mildenbergers und das exzellente Zusammenspiel des Orchesters in dieser Situation haben ihn nachhaltig beeindruckt.
So gesehen überrascht es nicht, dass sich Felix Mildenberger gegen 120 Mitbewerber durchsetzte und im August kommenden Jahres neuer BOSF-Generalmusikdirektor wird. Auch die 86 Musiker des Orchesters haben sich diesen Mann für diesen Posten gewünscht – mit Abstand vor allen anderen Interessenten, wie Intendant Ott betont. Dem habe sich die Findungskommission kaum verschließen können.
»Die Chemie muss stimmen«, weiß Kulturministerin Manja Schüle (SPD), die in Frankfurt (Oder) aufgewachsen ist. Mildenberger stammt dagegen vom anderen Ende Deutschlands aus dem Schwarzwald. »Es ist keine musikaffine Region«, berichtet der 35-Jährige. Aber er sei dort dennoch sehr gefördert worden und es habe deshalb bei ihm Klick gemacht. Mildenberger lernte erst Geige spielen, dann bald darauf Klavier – und schließlich Bratsche. Die Bratsche ist größer als die Geige. Weil Mildenberger sehr groß wurde und lange Arme bekam, hatte sein Geigenlehrer die Idee, er solle es doch mit diesem Instrument versuchen, das er gut beherrschen könnte.
Mildenberger hat es nie bereut. Für einen Dirigenten sei es keine schlechte Erfahrung, mit der Bratsche einmal »nicht die erste Geige« gespielt zu haben, gesteht der kommende Generalmusikdirektor. Er hat schon die Londoner und die Wiener Symphoniker dirigiert, das Konzerthausorchester Berlin und die Staatskapelle Weimar. Aber er ist trotz früher Triumphe bescheiden geblieben. Wie ihn Indendant Ott, Ministerin Schüler und Bürgermeister Claus Junghanns (CDU) in den höchsten Tönen loben – diese Vorschusslorbeeren sind ihm ein wenig peinlich.
»Vertrauen muss man sich verdienen«, hat er mal erklärt – und Kulturministerin Schüle kommentiert diese Bemerkung schmunzelnd mit den Worten: »Oh Gott, Sie könnten Politiker sein!« Die gesellschaftlichen Verhältnisse sind ihm wirklich nicht gleichgültig. Das wird deutlich, als Mildenberger seine Pläne und Ziele umreißt: Das Staatsorchester soll sichtbar sein in der Stadt an der polnischen Grenze. Es soll auf die dort lebenden Menschen zugehen und hören, was sie bewegt. Diese schwierige, aber interessante Aufgabe hat ihn gereizt. Das Orchester und sein Publikum sollen sich näher kommen. »Ich bin davon überzeugt, dass unsere Zeit das braucht«, sagt Mildenberger.
Die Musiker sollen beim Spielplan mitreden dürfen und insbesondere auch Wünsche des Publikum will Mildenberger berücksichtigen. Er möchte den Nachwuchs fördern und damit etwas zurückgeben für die Förderung, die er einst selbst erfahren hat. Er beabsichtigt davon abgesehen, den Werken von Komponistinnen mehr Beachtung zu schenken – »ohne Quote oder Agenda«, wie er versichert. Aus einem einfachen Grund: »Ich glaube, da gibt es viel zu entdecken.«
»Ein Dirigent, der die Klassik revolutioniert, wie es Felix Mildenberger tut, könnte nirgends besser aufgehoben sein als an unserem Staatsorchester, das in den vergangenen 30 Jahren mit Leidenschaft und Hingabe Herzen berührt hat«, meint Kulturministerin Schüle. Sie schwärmt: »Was er mit nur 35 Jahren in seiner Vita hat, entspricht bei manchem schon dem Lebenswerk.«
Zunächst hat der vom Oberbürgermeister mit Mildenberger noch abzuschließende Vertrag die übliche Laufzeit von fünf Jahren und kann verlängert werden. Der Dirigent freut sich auf die Aufgabe. Ihm schwebt »ein abwechslungsreiches Programm auf höchstem musikalischem Niveau« vor. In Frankfurt (Oder) sei dies möglich, denn es sei ein »sehr, sehr gutes«, ein »tolles Orchester«.
Der bisherige Generalmusikdirektor Jörg-Peter Weigle ist bereits mit dem Ende der Spielzeit 2025/25 gegangen. Das BSOF ist das einzige sogenannte A-Orchester des Bundeslandes. Es gibt in Brandenburg kein anderes, das in die höchste Vergütungsgruppe einsortiert ist und damit als Spitzenklasse gelten darf. Der Jahresetat beläuft sich auf 10,4 Millionen Euro, wovon das Land 5,5 Millionen beisteuert und die Stadt 1,8 Millionen. In der vergangenen Spielzeit fand das Orchester 52 000 Zuhörer, davon etwa 19 000 in Frankfurt (Oder) selbst und die übrigen bei Gastspielen.
»Ein Dirigent, der die Klassik revolutioniert, wie es Felix Mildenberger tut, könnte nirgends besser aufgehoben sein als an unserem Staatsorchester.«
Manja Schüle Kulturministerin
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