Koalition der Überflieger

Unter den neuen Einigungen von Union und SPD findet sich Irrwitziges

Markus Söder erklärte nach dem Treffen, wo es langgeht.
Markus Söder erklärte nach dem Treffen, wo es langgeht.

Lobbyist müsste man sein. Da scheint man bei der aktuellen Regierung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) besonders leichtes Spiel zu haben. Zwar sind sich CDU, CSU und SPD in zentralen Fragen uneinig und ließen im Koalitionsausschuss jetzt erneut unbeantwortet, wie es etwa mit der Rente weitergehen soll, obwohl das die meisten Bürger brennend interessieren dürfte. Stattdessen hat man einen völlig abseitigen Beschluss getroffen, die Ticketsteuer im Flugverkehr zu senken. Die wirtschaftlich unbedeutende Luftfahrtbranche freut dies genauso wie die überflüssig Reisenden in der Business-Klasse.

Dieser Beschluss ohne Not ist natürlich auch klimapolitisch irrwitzig: Niedrigere Preise heißt mehr Flugverkehr heißt mehr CO2-Ausstoß. Der Vorgang zeigt, was von den derzeitigen Sonntagsreden der schwarz-roten Regierungsvertreter bei der Weltklimakonferenz in Belém zu halten ist, wo dies und das unverbindlich versprochen wird. Noch folgenreicher mit Blick auf die Emission ist der Koalitionsbeschluss zur Einführung eines extrem niedrigen Industriestrompreises für energieintensive Konzerne. Diese können damit auf Jahre weitermachen wie bisher, statt die Transformation Richtung Klimaneutralität und Energieeffizienz voranzutreiben. Und wenn die Senkung zulasten der anderen Betriebe geht, wird es auch mit dem versprochenen Konjunkturschub nichts werden, im Gegenteil.

CDU-Wirtschaftsministerin Katheria Reiche musste mit ihrer Strategie zum Ausbau der Gaskraftwerke zwar Federn lassen. Aber letztlich setzt die Koalition nur auf solche Anlagen, wenn es um künftige Reservekraftwerke geht, obwohl damit das fossile Zeitalter hierzulande unnötig in die Länge gezogen wird. Auch hier ist die Gasbranche durchaus zufrieden mit den Beschlüssen.

Der Umgang der Regierung mit Forderungen aus der Wirtschaft hat indes auch politstrategische Folgen: Wenn man der Industrielobby diverse Wünsche erfüllt, weckt man dort nur immer neue Begehrlichkeiten. Ihr einflussreicher Verband BDI legte am Freitag schon mal nach und erklärte, wo Union und SPD gefälligst noch zu liefern haben, um aus Lobbysicht wirklich eine Koalition der Überflieger zu werden.

Wir haben einen Preis. Aber keinen Gewinn.

Die »nd.Genossenschaft« gehört den Menschen, die sie ermöglichen: unseren Leser*innen und Autor*innen. Sie sind es, die mit ihrem Beitrag linken Journalismus für alle sichern: ohne Gewinnmaximierung, Medienkonzern oder Tech-Milliardär.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen sichtbar machen, die sonst untergehen
→ Stimmen Gehör verschaffen, die oft überhört werden
→ Desinformation Fakten entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und vertiefen

Jetzt »Freiwillig zahlen« und die Finanzierung unserer solidarischen Zeitung unterstützen. Damit nd.bleibt.