nd-aktuell.de / 14.11.2025 / Politik

Antifa Ost: Etikett für ein Feindbild

Die Einstufung als Terrororganisation sagt mehr über Trump aus als über »Antifa Ost«, meint John Malamatinas

John Malamatinas
USA – Antifa Ost: Etikett für ein Feindbild

Die Entscheidung der US-Regierung, »Antifa Ost« zur »Terrororganisation« zu erklären, ist lediglich eine Etikettierung, die weniger über die Realität antifaschistischer Militanz aussagt als über die ideologische Schieflage einer Regierung, die verzweifelt nach Feindbildern sucht. Und das ist keine Überraschung, denn es sind erst zwei Monate vergangen, seit Trumps Regierung angekündigt hat, »die« Antifa als inländische terroristische Organisation einzustufen. Aus ihrer Sicht musste sie nach der Tötung des rechtsextremen und regierungstreuen Aktivisten Charlie Kirk Taten liefern. Das bisherige Ergebnis ist jedoch mangelhaft.

Man muss die Aktionen, die »Antifa Ost« vorgeworfen werden, nicht romantisieren. Aber wer diesen von deutschen Behörden und Medien zur kriminellen Vereinigung hochstilisierten Zusammenhang in eine Reihe mit islamistischen Gruppen und rechtsterroristischen Banden stellt, betreibt Propaganda zum politischen Eigenzweck. Antifa-Gruppen erstellen keine Todeslisten, horten keine Waffen und sind sicherlich nicht »eine kranke, gefährliche, radikale Katastrophe« (O-Ton Trump). Laut US-Außenminister Marco Rubio würde »Antifa Ost«, wie die anderen linken Gruppen aus Griechenland und Italien, eine revolutionäre anarchistische oder marxistische Ideologie verfolgen, »inbegriffen Anti-Amerikanismus, Anti-Kapitalismus und Anti-Christentum«. Es gehe darum, »gewaltvolle Angriffe im Inland wie im Ausland zu initiieren und zu rechtfertigen«. Die westliche Zivilisation werde also von nichts Geringerem als einem nicht-existenten linksextremen Netzwerk unterminiert.

Antifaschistische Gruppen in Deutschland agieren in einem Umfeld, in dem rechtsextremistische Gefahr konkrete Erfahrung ist: Anschläge auf Unterkünfte von Geflüchteten, NSU-Mordserie und die kontinuierliche Erstellung von Todeslisten (siehe kürzlich Dortmund!). Umrahmt wird das Ganze von den Wahlerfolgen einer von vielen Analysten als rechtsextrem eingestuften Partei, die Diskurse wie »Remigration« salonfähig gemacht hat. Dass Menschen daraus den Schluss ziehen, den Faschisten selbst gewaltvoll entgegenzutreten, kann kritisiert werden. Dass Menschen dagegen aktiv auf die Straße gehen und sich dieser Gefahr widersetzen, gehört jedoch zur politischen Meinungsfreiheit. Wer antifaschistische Gruppen kriminalisiert, schwächt jene, die dort aktiv sind, wo der Staat oft zu spät oder gar nicht eingreift.

Die US-Regierung verfolgt mit dieser Einstufung das Ziel, progressive Bewegungen in den USA und weltweit an der Seite von Orbán, Wilders & Co. weiter einzuschüchtern. Dass einzelne vermeintliche Mitglieder des Konstrukts »Antifa Ost« bald mit Einreiseverbot und Vermögensbeschlagnahmung in den USA konfrontiert sein könnten, ist dabei vielleicht erst mal nur ein »individuelles Problem«. Sowieso ist »Antifa Ost« ein nicht existenter Verein ohne Finanzkonten. Mit dem Begriff »Hammerbande« kann Trump aber seiner Behauptung Glaubwürdigkeit verleihen, dass es so etwas wie eine Terror-Antifa gemäß seinem ideologisch aufgeladenen Freund-Feind Schema gibt. Die Einstufung von »Antifa« als inländische Terrororganisation wird Teil eines gängigen autoritären Musters überall dort, wo die Rechte an den Schalthebeln der Macht sitzt und ihren rassistischen und misogynen Ansichten freien Lauf lässt. Der Angriff auf den Antifaschismus ist die notwendige Vorstufe zu einem Angriff auf jede progressive Idee, die nicht in die vom nationalistischen Denken imaginierte Homogenität passt.