nd-aktuell.de / 16.11.2025 / Sport

DFB will mit EM der Frauen 2029 »neue Maßstäbe setzen«

Der deutsche Verband bündelt gearde alle Kräfte, um den Zuschlag für das Turnier zu erhalten

Frank Hellmann, Frankfurt am Main
Werben, wie und wo es nur geht: Auch die Fußballerinnen aus München und Leverkusen stehen hinter der Bewerbung.
Werben, wie und wo es nur geht: Auch die Fußballerinnen aus München und Leverkusen stehen hinter der Bewerbung.

Natürlich war es kein Zufall, dass der Deutsche Fußball-Bund[1] (DFB) auf seinem Bundestag den Gästen aus dem Exekutivkomitee des europäischen Verbandes Uefa gewissermaßen den roten Teppich ausrollte. Philippe Diallo, der Präsident des französischen Verbandes, sprach dann auch ein Grußwort auf Deutsch. Inmitten der rechts vom Podium lauschenden Männergruppe wirkte der deutsche Drahtzieher Hans-Joachim Watzke[2] sichtlich zufrieden, als alle das neue Deutschland-Trikot mit dem schwarz-rot-goldenen Zackenmuster in den Händen hielten.

Genau diese Herrschaften sollen nämlich am 3. Dezember bei ihrer Sitzung in Nyon für Deutschland als Ausrichter der Frauen-EM 2029 stimmen. Für den DFB gilt das Votum im Uefa-Hauptquartier am Genfersee als wegweisend: Ansonsten könnte Deutschland auf absehbare Zeit für große Turniere der Männer und Frauen unter der Hoheit des Weltverbandes Fifa[3] und der Uefa verbrannt sein. Das in drei Wochen nicht stimmberechtigte Uefa-Exekutivmitglied Watzke glaubt fest daran, dass Deutschland diesmal zum Zuge kommt – anders als beim Fifa-Kongress 2024 in Bangkok, als eine gemeinsame Bewerbung mit den Niederlanden und Belgien für die Frauen-WM 2027[4] gegen Brasilien unterlag.

Kleiner Kreis

Damals stimmten mehr als 200 Mitgliedsverbände ab – diesmal sind es bloß 20 Exekutivmitglieder. Macht es das einfacher? DFB-Präsident Bernd Neuendorf äußerte sich in seiner Grundsatzrede verhalten optimistisch. »2029 wollen wir neue Maßstäbe[5] setzen und eine Million Menschen in die Stadien locken. Wir wollen bis zuletzt alles geben, um Gastgeber eines bedeutenden Turniers zu sein.« Die Fäden laufen bei den Geschäftsführern der DFB Euro GmbH, Patrick Kisko und Jürgen Eißmann, zusammen. Die beiden Fachleute orchestrieren eine Offerte, die laut Kisko klar besser als die der »hochkarätigen Konkurrenz« aus Portugal, Polen und der Doppelbewerbung aus Dänemark und Schweden sein soll.

Das Dossier erstreckt sich auf 2500 Seiten, behandelt zehn Sektoren von Stadien, Trainingsplätzen, Unterbringung bis zur Sicherheit. Jeder Kandidat hat acht Minuten für seine Präsentation, sieben Minuten bleiben für Fragen. Einen veröffentlichten Evaluierungsbericht wie vor der WM-Vergabe gibt es nicht. Inzwischen gelten die Skandinavier als ärgster Mitkonkurrent, doch deren Stadionkapazitäten sind teils deutlich kleiner. Deutschland hat sich auf Dortmund, Düsseldorf, Frankfurt, Hannover, Köln, Leipzig, München und Wolfsburg festgelegt. »Die Größe der Stadien ist ein Faustpfand«, sagt Kisko. Man will beim Zuschauerzuspruch die EM 2025 noch mal klar übertreffen. In der Schweiz hatten 657 291 Besucher bei 97-prozentiger Stadionauslastung für neue Rekorde gesorgt – und dennoch hatte die Uefa durch die Prämienerhöhung einen Verlust in zweistelliger Millionenhöhe vermeldet.

»Es ist wichtig, dass wir schwarze Zahlen schreiben. Weiter, höher, besser ist natürlich eine Devise, und da spielt die Wirtschaftlichkeit eine große Rolle«, hatte die für den Fußball der Frauen zuständige Uefa-Direktorin Nadine Keßler im Sommer gesagt. »Im Frauenfußball sollte man über vier Jahre nicht nur einen Schritt gehen, sondern am besten gleich drei. Dass der Norden, der Süden und das Zentrum Europas die nächste Frauen-EM wollen, ist ein Zeichen für die Attraktivität.« Die gebürtige Pfälzerin verhält sich betont neutral, stellt aber gerne heraus, warum das Event so attraktiv ist: »Der Frauenfußball ist zugänglicher für Familien, steht für andere Werte.« In der Schweiz waren rund 50 Prozent der Besucher weiblich, mehr als 30 Prozent jünger als 30 Jahre.

Großer Hebel

Auch DFB-Vizepräsidentin Celia Sasic betont gerne den »gesellschaftlichen Mehrwert«, der im Falle des Zuschlags keineswegs geringer als bei der Europameisterschaft der Männer im Vorjahr sei. »Es soll ein Turnier werden, wo Menschen zusammenkommen«, sagt die ehemalige Nationalstürmerin, die genau wie Almuth Schult die Frauen-WM 2011 in Deutschland als Aktive miterlebt hat. Damals konnte der Hype nicht in eine nachhaltige Entwicklung überführt werden – 2029 würde das anders sein, glaubt die frühere Nationaltorhüterin: »So eine EM kann ein sehr, sehr großer Hebel sein.« Das habe man nicht zuletzt bei dem Turnier 2022 in England erlebt.

Deutschland war zwar schon 1989 und 2001 Ausrichter dieses Turniers, als der Rahmen in einem Mini-Format reichlich provinziell anmutete. »Nach 28 Jahren sind wir mal wieder dran«, findet Eißmann und verweist auf die »unglaubliche Frauenfußballkultur« hierzulande. Doch mit dem Argument kokettieren auch Dänemark und Schweden. Polen will der Uefa viele Zugeständnisse machen. Könnte der aus Slowenien stammende Uefa-Präsident Aleksandar Ceferin ein Faible für den ersten Ausrichter aus Osteuropa haben? »Wir hoffen, dass es sportlich fair zugeht«, sagt Kisko. Für ihn wird es elementar, das Turnier »profitabel zu gestalten«. So toll die Atmosphäre der letzten EM gewesen sei, »zur Wahrheit gehört auch, dass 20 Millionen Euro zur schwarzen Null gefehlt haben«. Ansonsten setzt er darauf, dass Neuendorf und Watzke bis zur Entscheidung bei ihren europäischen Kollegen »Gehör finden«.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195308.dfb-bundestag-praesidiumswahlen-traenen-am-rednerpult.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1182539.bundesliga-borussia-dortmund-und-rheinmetall-fussball-spielen-fuer-den-krieg.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192027.fussball-die-neue-klub-wm-der-fifa-und-ihre-gefaehrlichen-gewinner.html
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1182261.fussball-rueckschlag-fuer-dfb-brasilien-feiert-fussball-wm-der-frauen.html
  5. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195223.fussball-bundesliga-der-frauen-dfb-und-klubs-streiten-ueber-wachstumsplan.html