Normalerweise bezahlt man Schutzgeld, um vor Übergriffen organisierter Krimineller sicher zu sein. Die deutsche Bundesregierung stellt dieses System auf den Kopf und zahlt jenen Geld, die auf Schutz verzichten: Für 2500 Euro sollten schutzsuchende Afghaninnen und Afghanen auf die ihnen zugesagte Aufnahme in Deutschland verzichten. Dabei geht es um rund 1900 Menschen, darunter Rechtsanwälte, Medienschaffende und Menschenrechtler. In Aussicht eines Visums zur Einreise nach Deutschland waren sie vor den in Kabul herrschenden Taliban nach Pakistan geflohen und sitzen dort fest. Mit einmalig 2500 Euro und weiteren 10 000 bei erfolgter Ausreise aus Pakistan wollte sich die Bundesregierung aus der von ihr eingegangenen Verpflichtung billig freikaufen.
Um Mitternacht ist das finanzielle Angebot der Bundesregierung abgelaufen. Medien berichten, dass viele der Betroffenen das Angebot ablehnen wollten, da sie bei einer Rückkehr nach Afghanistan für sich und ihre Familien um ihr Leben fürchten. Die Linkspartei hat den Umgang der Bundesregierung mit den derzeit in Pakistan festsitzenden Schutzsuchenden aus Afghanistan scharf kritisiert. Clara Bünger, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag und Expertin in Migrationsfragen, wirft der schwarz-roten Bundesregierung wegen deren Weigerung, die Menschen nach Deutschland einreisen zu lassen, einen »menschenrechtlichen Total-Ausfall« vor. Sie erinnert daran, »dass man Menschen ein Versprechen gegeben hat – Menschen, die sich auch für deutsche Organisationen eingesetzt haben«, sagte sie am Montag dem TV-Sender RBB. Dieses Versprechen werde durch die Regierung jetzt gebrochen. »Das halte ich für unverantwortlich«, sagte die Linke-Politikerin weiter.
Dabei ist die Rechtslage eindeutig: Es gibt eine rechtsverbindliche Aufnahmezusage der deutschen Bundesregierung, wie Verwaltungsgerichte bereits festgestellt haben. Dahinter kann die Politik schwerlich zurück, auch nicht, wenn sich die Regierungskoalition geändert hat. Viele Afghanen mit Aufnahmezusage haben gegen die Bundesregierung geklagt – mit Erfolg.
Von mindestens 117 Eilverfahren, die beim Verwaltungsgericht Berlin seit Mitte Mai eingegangen sind, gingen 49 Verfahren zugunsten der Antragsteller aus, so das Gericht. Meist wurde die Bundesregierung zur Erteilung eines Visums verpflichtet, in manchen Fällen auch nur zum Treffen einer Entscheidung. In 18 Fällen wurde der Eilantrag der Betroffenen zurückgewiesen, 41 Verfahren waren am 31. Oktober noch offen.
In bisher 14 Fällen drohte das Gericht der Bundesregierung ein Zwangsgeld in Höhe von 10 000 Euro an, weil diese die Gerichtsentscheidungen nicht umgesetzt habe. Zur Festsetzung eines Zwangsgelds sei es, soweit ersichtlich, aber bisher nicht gekommen. Doch nicht immer erteilte das Auswärtige Amt ein Visum, wenn es vom Gericht dazu verpflichtet wurde. In manchen Fällen hat das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) die Aufnahmezusage zurückgenommen oder widerrufen. »Hiermit wird dem Visumsanspruch der jeweiligen Antragsteller praktisch die Grundlage entzogen«, erklärt das Gericht. Einen Zusammenhang gibt es laut dem für das Bamf zuständigen Bundesinnenministerium dabei nicht. Sollte die Union den gerichtlich bestätigten Einreiseansprüchen widersprechen, »dann ist sie eine Partei, die sich gegen Rechtsstaatlichkeit wendet«, warf Clara Bünger besonders CDU und CSU vor. Mit Agenturen