nd-aktuell.de / 19.11.2025 / Kultur

Profitgier und Ressourcenklau als »Thriller«

Nach der Klimakonferenz ist vor der Klimakonferenz Uwe Ritzer über den Ausverkauf unseer Lebensgrundlagen

Stefan Berkholz
Die Erde dreht sich auch ohne Wald: Luftblick auf eine abgeholzte Fläche des Amazonas.
Die Erde dreht sich auch ohne Wald: Luftblick auf eine abgeholzte Fläche des Amazonas.

Am Freitag endet die 30. UN-Klimakonferenz (COP30) im brasilianischen Belém – mit zu erwartenden Enttäuschungen[1], aber vielleicht auch erfreulichen Ergebnissen. Der deutsche Umweltminister Carsten Schneider hat 60 Millionen Euro den besonders stark vom Klimawandel betroffenen Ländern versprochen, damit sie sich besser vor Extremwetter wie Wirbelstürme und Dürre schützen können. Eine großzügige Geste?

Da greift man gern zu einem Buch, das Auskunft und Abhilfe verspricht: »Der Ausverkauf« von Uwe Ritzer. Er selbst nennt es einen »Thriller«. Untertitel: »Wer mit unseren Ressourcen Profite macht und was wir dagegen tun können«. Gemeint sind Wasser, Boden und wertvolle, lebenswichtige Rohstoffe. Der 60-jährige Wirtschaftsjournalist der »Süddeutschen Zeitung« versucht »undurchsichtige Firmengeflechte in Steuerparadiesen« zu entwirren, klagt die Trinkwasservergeudung von Stromkonzernen sowie Spekulationen im großen Stil mit landwirtschaftlichen Flächen oder Wäldern an, die er »Boden-Monopoly« nennt. Er macht auf die irrwitzigen Baulandpreise aufmerksam, die von 1962 bis 2017 »im Bundesdurchschnitt um 2300 Prozent[2]« gestiegen seien. Für ihn ein klassisches Beispiel dafür, dass eine politische Regelung nötig ist. Aber hat die politische Elite ein ernstes Interesse daran? Auf die Abhängigkeit vieler ihrer Vertreter von Spekulanten und Lobbyisten kommt der Autor leider nicht zu sprechen. Doch: Warum sollte ein Multimillionär aus der »gehobenen Mittelschicht«, der gern mal mit seinem Privatjet zu einer Hochzeit düst und der jetzt Bundeskanzler ist, Sinn für Gerechtigkeits- und Umweltfragen haben?

Ritzer schreibt von »Flugscham«, verteidigt aber zugleich günstige Flugpreise; für ihn eine Form der Gerechtigkeit. Die Auswüchse des Massentourismus problematisiert er nicht. Zu Recht klagt er die Superreichen[3] an, die Weltmeister der Zerstörung unserer natürlichen Umwelt sind. Er benennt Korruption, Profitgier und Steuertricks von Konsortien und Versicherungsgiganten, Ressourcenklau und Ressourcenverschwendung. Der Autor berichtet von Gesetzeslücken, die schamlos ausgenutzt werden, häufig unter dem Radar der Öffentlichkeit.

Doch was ist zu tun gegen all diese Missstände? Da bleibt Ritzes Antwort seltsam unkonkret: »Der Klimawandel wird nicht komplett, aber zu einem großen Teil durch Technologie aufgehalten werden«. Die Technik wird es irgendwannrichten? Das Argument kennt man von den Liberalen. Klimaleugner dürften damit auch gut leben können. Über Hintergründe und Zusammenhänge erfährt man in diesem Buch nicht viel, das eher ein hurtig zusammengestellter Reader tagesjournalistischer Recherchen denn ein »Thriller« ist, im Fahrwasser von Ritzers Bestseller »Zwischen Dürre und Flut. Deutschland vor dem Wassernotstand« (2023). Solange die herrschende Politik so weitergeht, wird sich wenig an der Misere ändern.

Uwe Ritzer: Der Ausverkauf. Wasser, Boden, Rohstoffe. Wer mit unseren Ressourcen Profite macht und was wir dagegen tun können. Penguin, 285 S., geb., 23 €.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195417.belem-cop-von-wegen-trendwende-bei-co-emissionen.html?sstr=cop30
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1175167.gregory-salle-wer-hat-das-groesste-beiboot.html?sstr=superyacht