»Ich frag’ mal ChatGPT.« Diese Aussage höre ich in meinem Alltag immer häufiger. Es ist ja auch so herrlich einfach: Ich stelle eine Frage, die weder wohlformuliert noch besonders intelligent gestellt sein muss, und erhalte eine ausführliche Antwort, fast immer garniert mit einem lobenden Kommentar zur Kreativität meiner Fragestellung. Generative KI gibt es gefühlt erst seit vorgestern, hat aber in Windeseile alle Alltagsbereiche erreicht: Das KI-Tool schreibt Einkaufslisten, Liebesbriefe, Veranstaltungspläne, Werbebroschüren, Master-Arbeiten.
Doch diese routinierte Selbstverständlichkeit hat ihren ökologischen Preis. Während eine klassische Google-Suche nur etwa 0,3 Wattstunden benötigt, verbraucht eine Anfrage an ein großes generatives KI-Modell ein Vielfaches davon. Eine einzige Anfrage kann energetisch so viel kosten wie das komplette Laden eines Smartphones[1]. Auf individueller Ebene wirkt das kaum dramatisch. Hochskaliert auf Millionen Anfragen pro Stunde entsteht jedoch ein immenser Energiehunger.
Dabei ist das Tempo, mit dem KI unseren Alltag durchdringt, kein Zufall. Technologien, die sich »wie von selbst« durchsetzen, sind fast immer jene, die konsumierbar sind und Konsum steigern. Das Smartphone, dessen Nutzungsdauer Woche für Woche steigt. Streaming-Dienste, die uns ständig mit neuen Serien versorgen wollen. Und nun eben generative KI, die uns in Sekundenschnelle eine Hausarbeit schreibt – sie passen perfekt in eine Logik, die darauf ausgelegt ist, stetig zu steigern und zu beschleunigen.
Ganz anders jene digitalen Werkzeuge, die nicht Konsum ermöglichen, sondern Selbstorganisation, Beteiligung oder Reparaturkompetenz fördern. Open-Source-Wissenswerkzeuge wie Cryptpad, partizipative Plattformen wie Decidim, kollaborative Wissensgemeinschaften wie Wikipedia oder eine digitale Repair-Community wie iFixit: Es gibt viele digitale Anwendungen, die sozial und ökologisch nachhaltiger sein können, aber nur selten Teil unseres Alltags werden. Nicht weil sie technisch schlechter wären, sondern weil sie etwas verlangen, das sich schlecht vermarkten lässt: eigene Arbeit, kollektive Verantwortung, Beteiligung.
Dabei könnte gerade diese Alltagsnähe ihre Transformationskraft ausmachen. Technologien, die durch einen selbst veränderbar sind, die gemeinschaftliche Entscheidungsprozesse unterstützen oder Wissen transparent machen, fördern Selbstwirksamkeit, Resilienz und ein Bewusstsein dafür, dass Digitalisierung kein Naturgesetz ist, sondern eine gestaltbare Infrastruktur.
Marktorientierte Technologien setzen hingegen auf Abhängigkeit: Abos, proprietäre Plattformen, KI-Tools, die alles quasi von alleine schreiben. Sie brauchen Nutzer*innen, die klicken, nicht solche, die verstehen. Sie profitieren von Bequemlichkeit, nicht von Mündigkeit. Deshalb lässt sich eine KI-App in einer Woche global ausrollen, während eine demokratische Beteiligungsplattform Jahre braucht, um sichtbar zu werden.
Nimmt man Nachhaltigkeit ernst, müsste man den Spieß umdrehen: Nicht zu fragen, welche Technologien sich gut verkaufen lassen, sondern welche Technologien Menschen befähigen, ihre digitale und materielle Umwelt mit zu erzeugen. Wie das gehen soll? Ich frag’ mal ChatGPT.