Jemand schreit, das ist echt. Schüsse knallen, das sind sicher nur Platzpatronen. Denn scharf geschossen werde bei dieser Übung an dieser Stelle nicht, hat die Bundeswehr möglicherweise besorgten Anwohnern zugesichert. Ein Soldat hievt eine Puppe, die offenbar einen Verletzten darstellen soll, von den Gleisen hoch auf den Bahnsteig der Berliner U-Bahnstation Jungfernheide. Das Wachbataillon des Verteidigungsministeriums trainiert hier seit Dienstag drei Nächte hintereinander, den von einer feindlichen Miliz besetzten U-Bahnhof freizukämpfen. Es sei ein »sehr realistisches« Szenario, erklärt ein Offizier. Denn im Ernstfall wäre die U-Bahn »ein gutes und zweckmäßiges Mittel, eigene Kräfte von A nach B zu bringen«.
In die insgesamt vier Tage währende Übung »Bollwerk Bärlin III«[1] sind außerdem ein Trainingsgelände der Polizei in Ruhleben und ein altes Chemiewerk im brandenburgischen Rüdersdorf einbezogen.
»Kriegshysterie auch in Brandenburg? Nicht mit uns!« So hatte der Landtagsabgeordnete Falk Peschel[2] (BSW) auf die Nachricht regiert. Es gab in Rüdersdorf eine Mahnwache seiner Partei.
Ähnlich reagiert die Kreistagsabgeordnete Kerstin Kaiser[3] (Linke). Sie fordert: »Keine Kriegsübungen der Bundeswehr im öffentlichen Raum!« Kaiser kündigt am Mittwoch an, die Linksfraktion werde im Kreistag Märkisch-Oderland beantragen, derartige Kriegsübungen im öffentlichen Raum politisch abzulehnen und zu untersagen. »Die Ignoranz der Bundeswehr gegenüber Bevölkerung und dem Landkreis als zuständiger Behörde für Zivil-, Brand- und Katastrophenschutz ist unglaublich«, sagt Kaiser. »Im Landratsamt ist man nicht offiziell informiert und schon gar nicht dazu gefragt worden, dass hier im Kreis erstmals außerhalb von Militärgelände scharf geschossen wird.« Von Wasserknappheit, Haushaltsnotlage, Finanzproblemen der Krankenhäuser und des Rettungsdienstes, von kaputten Brücken und fehlendem Geld für Jugend und Soziales werde die Bevölkerung »durch Angstmache abgelenkt«, kritisiert die Abgeordnete. Statt Feuerwehr, Katastrophenschutz und Rettungsdienst finanziell und personell abzusichern, »übt man öffentlich den Krieg, weil man ihn führen will«.
Kaiser erinnert, dass in Märkisch-Oderland 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs immer noch Gebeine damals gefallener Soldaten aus dem Erdreich geborgen werden. Um die Seelower Höhen[4] hatte eine opferreiche Schlacht getobt.