Zurück in die Steinzeit? Um bei der Energieversorgung der Hauptstadt auf fossile Brennstoffe zu verzichten, setzt die Berliner Energie und Wärme (BEW) auch auf das Verbrennen von Biomasse, also Holz. Dafür hat das landeseigene Unternehmen jüngst eine Genehmigung zur Errichtung einer »Altholz-Biomasse-Kraft-Wärme-Kopplungsanlage (KWK) am Standort des Heizkraftwerkes Reuter West« beantragt. Noch bis zum 9. Januar können Einwendungen gegen die Genehmigung eingereicht werden. Die Berliner Umweltverbände machen deshalb gegen das Verbrennen von Holz mobil und fordern die Anwendung von moderneren Techniken zur Wärmegewinnung[1].
Laut des Genehmigungsantrags der BEW sollen künftig in Reuter West Holzabfälle, Biomasse aus Landschaftspflegemaßnahmen, Waldrestholz und in Holzplantagen geerntetes Holz verfeuert werden. Die Umweltverbände sind mit keiner der Brennholzarten einverstanden. Denn die Ressource Holz[2] ist in vielen verschiedenen Bereichen heiß begehrt und steht nicht unendlich zur Verfügung.
Das betrifft laut Tobias Quast-Malur vom BUND Berlin[3] selbst die Holzabfälle. »Altholz stammt auch aus den Wäldern«, sagt er auf einer Pressekonferenz am Mittwoch. Ein Großteil des zum Heizen verwendeten Holzes könne noch anderweitig verwendet werden, ist also zu schade, um in den Ofen zu kommen. »Wenn die holzverarbeitende Industrie aber nicht mehr auf Altholz zugreifen kann, dann nimmt sie auch Frischholz.« So sei das Verbrennen von Altholz mittelbar auch nicht besser, als es direkt aus dem Wald zu holen.
Quast-Malur erläutert, dass in Deutschland nur ein Viertel des Altholzes wiederverwertet, der Rest zur Energiegewinnung verbrannt wird. In anderen europäischen Ländern sei das Verhältnis genau andersherum. Doch selbst, wenn alles Altholz ins Kraftwerk käme, anstatt recycelt zu werden, dann falle in Berlin längst nicht genügend Holz an, um damit die geplanten Biomasse-Anlagen zu versorgen. Laut Quast-Malur stünden in Berlin ohne anderweitige Verwertung rund 112 Tonnen Altholz pro Jahr zu Verfügung. Aber schon jetzt würden im Neuköllner Heizkraftwerk in Rudow 250 Tonnen Holz verbrannt. Nach den Plänen für die zukünftige Wärmeversorgung würde zukünftig über eine Million Tonnen Holz in Berlin verheizt werden. Dieses Holz könne auch nicht regional beschafft werden, denn andere Städte planten ebenfalls, in Zukunft Energie durch Holzverbrennung zu gewinnen. »Das kann auch nicht hilfreich sein, den Müll von weit weg zu importieren«, so Quast-Malur.
Jana Ballenthien von der Initiative Robin Wood ergänzt, dass auch die anderen Brennholzvarianten ihre Probleme mit sich bringen. Das Holz aus der Landschaftspflege gebe ohnehin nicht genug Brennstoff her und ökologisch wäre es außerdem sinnvoll, es an Ort und Stelle zu lassen, sagt sie. Genauso verhalte es sich mit dem Restholz aus dem Wald. Und schließlich seien auch die sogenannten Kurzumtriebsplantagen keine Lösung. Dort wird schnell wachsendes Holz angebaut, um dann als Feuerholz geerntet zu werden. »Die haben einen enormen Flächenbedarf«, sagt Ballenthien. Deshalb gebe es von diesen Plantagen auch gar nicht genügend. Für die Artenvielfalt seien diese Plantagen außerdem schädlich. »Wir stellen die Frage, warum wir seit der Steinzeit nicht weitergekommen sind und weiter in die Holzverbrennung investieren.«
Die Umweltorganisationen fordern, dass mehr in klimafreundliche Techniken der Energiegewinnung investiert wird, zum Beispiel in die Geothermie. Denn dort komme Berlin bislang noch zu langsam voran. Auch die Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus kritisiert die Pläne der BEW. »Wälder zu verfeuern, ist kein Klimaschutz, sondern ein Brandbeschleuniger der Klimakrise. Zumal wir befürchten, dass dafür Holz aus dem Ausland importiert werden muss«, teilen Werner Graf und Stefan Taschner mit.
»Das kann auch nicht hilfreich sein, den Müll von weit weg zu importieren.«
Tobias Quast-Malur BUND Berlin
Die Abgeordneten vermuten außerdem, dass die Energiepreise durch die Holzverbrennung steigen werden. »Während bundesweit immer mehr Holzkraftwerke entstehen, steigen die Holzpreise rasant. Senat und BEW nehmen damit bewusst steigende Fernwärmepreise in Kauf.« In Hamburg sei bereits der Bau eines Holzkraftwerks abgesagt worden. Berlin müsse nachziehen, so die Grünen. »Wir fordern den Senat auf, die Pläne für das Holzheizkraftwerk umgehend zu stoppen und stattdessen wirklich nachhaltige Lösungen voranzutreiben.«
Im Kraftwerk Reuter West wird bislang Steinkohle verbrannt, um Energie zu gewinnen. Laut dem aktuellen Dekarbonisierungsfahrplan der BEW sollen alle Kohlekraftwerke bis 2030 stillgelegt werden, während Großwärmepumpen und Biomasse-Kraftwerke errichtet werden sollen. Auch nach 2045 sollen noch 15 Prozent der Energie durch Biomasse gewonnen werden. »Nur unter der Voraussetzung einer nachhaltigen Beschaffung weist holzartige Biomasse eine positive Klimabilanz auf«, schreibt das Unternehmen auf seiner Webseite. Deshalb gebe es mit dem Land Berlin eine »Nachhaltigkeitsvereinbarung« zum Schutz der Wälder und zum Ausbau der Biodiversität. Das in Reuter West künftig verwendete Altholz soll »im besten Fall mehrfach stofflich genutzt werden, bevor es abschließend für die Energieerzeugung verwendet wird.«
Das Unternehmen teilte »nd« außerdem mit, dass die Wärmegewinnung durch Biomasse nur ein Teil eines zukünftigen »Energiemixes« sei. Man aktualisiere momentan den Dekarbonisierungsfahrplan. Ziel sei, Biomasse nur »in einem begrenzten Umfang« einzusetzen. »Nichts liegt uns ferner, als flächendeckend Wälder zu verfeuern«, so ein Sprecher der BEW. Vorrangig soll Altholz eingesetzt werden, man schließe aktuell langfristige Verträge zur Lieferung ab. Zur zukünftigen Preisentwicklung ließen sich noch keine Angaben machen, sie hänge aber vom »gesamten Portfolio« ab. Eine »isolierte Betrachtung einzelner Brennstoffkosten« liefere »kein vollständiges Bild«.