nd-aktuell.de / 20.11.2025 / Politik

»Antifa Ost«: Wer sind die Angegriffenen?

Beim Antifa-Verfahren in Dresden geht es um Angriffe auf Rechtsextreme. Einige von ihnen wurden selbst schon wegen schwerer Gewalttaten verurteilt

John Malamatinas
Rechte Demonstration in der sächsischen Kleinstadt Wurzen
Rechte Demonstration in der sächsischen Kleinstadt Wurzen

Wenn in der kommenden Woche der zweite Teil des Antifa-Ost-Prozesses ansteht, richtet sich der Blick auch auf jene Neonazis, die in der Anklage als Geschädigte auftauchen. Dabei handelt es sich um Rechte aus Thüringer und sächsischen Netzwerken. Einige waren seit den 2010er Jahren in lokalen Kameradschaften, NPD-Jugendstrukturen oder Kampfsportgruppen aktiv. Andere beteiligten sich an Aufmärschen und Angriffen auf politische Gegner. Dazu kommen die Angegriffenen von Februar 2023 in Budapest.

Vier Mitglieder von »Knockout 51« wurden wegen Gründung einer kriminellen Vereinigung und gefährlicher Körperverletzung zu mehreren Jahren Haft verurteilt.

Der Überfall auf die Neonazi-Kneipe »Bulls Eye« im Oktober 2019 in Eisenach, jener Stadt, in der sich der NSU enttarnte, gehört sicherlich zu den spektakulärsten Aktionen, die den angeklagten Antifaschist*innen zugeordnet werden. Inhaber der Kneipe ist Leon Ringl, Anführer der Kampfsportgruppe Knockout 51, die 2019 gegründet wurde und von der auch die Bundesanwaltschaft meint, sie sei »von Beginn an auf die Begehung von Körperverletzungsdelikten angelegt«[1] gewesen. Dem Sprecher der Mobilen Beratung in Thüringen Felix Steiner zufolge stellte Knockout51 »eine enorme Gefahr für Menschen in Thüringen dar«, wobei politische Gegner und vermeintliche Drogenkonsumenten im Fokus der Angriffe standen. Geleakte Informationen aus einem Chat-Forum legen zudem nahe, dass der Kreis einen Ableger der rechtsterroristischen US-amerikanischen »Atomwaffen Division« aufbauen wollte.

Vier Mitglieder von Knockout 51 wurden 2024 wegen Gründung einer kriminellen Vereinigung und gefährlicher Körperverletzung zu mehreren Jahren Haft verurteilt. Der Vorwurf der geplanten Tötung von Linken hingegen wurde fallengelassen. Laut Felix Steiner existiert das »Bulls Eye« bis heute. Erst am vergangenen Wochenende habe dort ein Lagerverkauf für Szenekleidung der extremen Rechten stattgefunden. Durch den Prozess sei »Knockout« zwar zerfallen, doch Teile der Gruppe seien weiter gemeinsam bei Demonstrationen zu sehen.

Im Dresdner Antifa-Verfahren geht es weiterhin auch um Angriffe auf Neonazis aus Leipzig und Wurzen, die sich u.a. am Angriff auf den Leipziger Szenestadtteil Connewitz am 11. Januar 2016 beteiligt hatten. Cedric S. beispielsweise, der als Nebenkläger im ersten Antifa-Ost-Verfahren auftrat, gehört seit Jahren der rechten Szene in der sächsischen Kleinstadt Wurzen an und war bei der Jugendorganisation der NPD aktiv. Die Wurzener Szene machte immer wieder mit gewalttätigen Aktionen Schlagzeilen, so etwa 2018 beim Angriff von zwei Vermummten auf eine schwangere 19-jährige Eritreerin.

Enrico Böhm, ebenfalls Nebenkläger im Verfahren gegen Lina E., gilt wie Cedric S. als gut in der Fußball-Fanszene verankert. Böhm, der für die NPD im Leipziger Stadtrat saß, betreibt diverse rechtsextreme Versandhandel wie etwa »Der Schelm« oder »Lokis Truhe« und stand schon mehrfach wegen Gewaltdelikten und Volksverhetzung vor Gericht. 2024 wurde ihm mit zwei weiteren Personen wegen der Verbreitung von Nazi-Propaganda[2] in Dresden der Prozess gemacht. Böhm gilt auch als Schlüsselfigur bei den polizeilichen Ermittlungen der Soko Linx gegen die Antifa Ost. Das Leipziger Stadtmagazin »Kreuzer« berichtete 2021[3], Böhm habe mit der Soko Informationen über Antifas ausgetauscht und dies eidesstaatlich bekräftigt.

Auch beim Personenkreis, der im Februar 2023 in Budapest angegriffen wurde, handelt es sich keineswegs um Zufallsopfer. Einer der dort Attackierten war der ungarische Rechtsextreme László Dudog, der auf Social Media mit seinem »88«-Tattoo (ein Akronym für »Heil Hitler«) posiert und Teil der Blood&Honour-Band »Divine Hate« ist. Im Interview mit der italienischen Tageszeitung »Il Giornale« bestätigte Dudog[4], sich jedes Jahr am »Tag der Ehre« zu beteiligen, bei dem Soldaten von Wehrmacht, Waffen-SS und faschistisch-ungarischer Armee gedacht wird, die im Februar 1945 von der Roten Armee besiegt wurden. »Ich mache es, um den Gefallenen, die ich als Helden betrachte, meinen Respekt zu bekunden«, so Dudog.

Links:

  1. https://www.generalbundesanwalt.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2024/Pressemitteilung-vom-19-09-2024.html
  2. https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/dresden/dresden-radebeul/schelm-prozess-verlag-neonazi-buecher-100.html
  3. https://kreuzer-leipzig.de/2021/05/14/fragwuerdige-arbeitsmethoden
  4. https://www.ilgiornale.it/news/politica/io-quasi-ucciso-dagli-anarchici-perch-destra-2279178.html