Es gibt ein Wort für den selbstlosen Einsatz für andere, die angegriffen werden: Zivilcourage. Genau das demonstrierten am Mittwochabend rund 30 Stipendiat*innen der Deutschlandstiftung Integration, als sie aufstanden und ihre Plätze verließen, sobald der Stiftungs-Schirmherr, Bundeskanzler Friedrich Merz[1], ans Mikrofon trat. Die »Wir sind das Stadtbild«-Aufkleber an ihrer Kleidung und die kollektive Verweigerung gegenüber dem Kanzler waren ein Solidaritätsbekenntnis mit jenen, die Merz offenbar als minderwertig betrachtet[2].
Das erfordert Mut. Viele der Stipendiat*innen sind finanziell vermutlich auf das Programm angewiesen: Förderungen in Journalismus, Kultur und Wissenschaft ermöglichen Menschen mit Migrationsgeschichte Karrieren, die ihnen andernfalls verwehrt blieben – weil Erfolg in Deutschland zu oft mehr mit dem Elternhaus als mit der eigenen Leistungsfähigkeit zu tun hat.
Dass die Forderung aus rechten Kreisen nach einer Aberkennung der Förderung nicht lange auf sich warten ließ, zeigt, wie sehr solche öffentlichen Aktionen angreifbar machen. Hinzu kommen Beleidigungen: als »migrantische Schneeflöckchen«, oder sinngemäß als »unzivilisierte Migranten«, denen es an westlicher Abgeklärtheit fehle.
Dabei ist das Gegenteil der Fall. Schämen muss man sich für das unkultivierte Verhalten des Kanzlers: die Stadtbild-Äußerung, der abfällige Kommentar über den COP-30-Austragungsort Belém. Richtig ist: Protest ist gelebte Demokratie. »Sie sind Vorbilder für viele in diesem Land«, sagte der Kanzler zu den Preisträgern. Das gilt ebenso für jene, die aufgestanden sind.