Die Kriminalisierung von Antifaschismus ist ein verlässliches Anzeichen für den Übergang der Demokratie in autoritäre Zustände. Dass US-Präsident Trump jüngst die Gruppe Antifa-Ost als internationale Terrororganisation[1] einstufte, muss daher in einem Zusammenhang gesehen werden mit dem hierzulande immer wieder ausgerufenen Kampf gegen vermeintlichen Linksextremismus. Wenn etwa Demokratieprojekten[2] unter dem Deckmantel der Prüfung ihrer Neutralität die Kürzung staatlicher Förderung droht, dann trifft es keine imaginierten terroristischen Zellen, sondern genau jene Orte und Strukturen, die für eine »starke Zivilgesellschaft« und gegen den »Rechtsruck« angeblich so wichtig sein sollen: alternative Jugendclubs oder selbstverwaltete Kulturzentren.
»Ohne solche Orte der Kritik fehlt der Raum, an dem man überhaupt auf die Idee kommt, Gesellschaft anders zu denken«, sagt Annika Sominka. Sie ist eine der Initiator*innen der Monom-Stiftung, die nun die Kampagne »Alles beginnt im Zentrum« zur Förderung und Unterstützung von »Orten der Kritik, (Sub)Kultur und der Solidarität« ins Leben gerufen hat. Denn die Kulturzentren sind aktuell bedroht: Neben dem politischen Druck, der die unliebsame Arbeit linker Kulturprojekte erschwert, werden unter verallgemeinertem Sparzwang Fördermittel immer weiter verknappt. In diesem Klima haben auch rechte Angriffe auf Zentren und alternative Kulturräume in den letzten Jahren drastisch zugenommen. »Alles beginnt im Zentrum« will daher Aufmerksamkeit für diese Problemlage schaffen und eine solidarische Hilfestruktur aufbauen.
Wer in den Baseballschlägerjahren der 1990er aufgewachsen ist, dem ist die Bedeutung alternativer Kulturzentren bewusst. Sie waren und sind vielerorts das einzige Angebot jenseits provinzieller Tristesse oder rechter Mobs – hier erlebten viele Jugendliche das erste Konzert, machten die Erfahrung, dass man selbst etwas bewirken kann, oder erprobten Solidarität im Miteinander. »Hier beginnen zivilgesellschaftliche Initiativen. Hier können Menschen unabhängig vom Geldbeutel, Herkunft oder sexueller Orientierung feiern, sich organisieren und weiterbilden«, ist die Monom-Stiftung sicher.
Mit genau diesem Anspruch stehen die Zentren aber unter enormem Druck: »Zusätzlich zu den allgemeinen Kürzungen sind sie von dem politischen Klima betroffen, das eine kritische Haltung eher als Demokratiegefahr statt als ihre Voraussetzung sieht«, fasst die Stiftung zusammen. In den Landesparlamenten häufen sich Kampagnen und Kleine Anfragen, die mit dem Vorwand der »Extremismusprävention« zivilgesellschaftliche Initiativen diskreditieren. Antifaschistische oder queere Jugendarbeit wird unter den Verdacht des »Linksextremismus« gestellt und somit der Anspruch auf öffentliche Förderung in Zweifel gezogen. Projekte der Demokratiebildung geraten strukturell in die Defensive, obwohl ihr Einsatz notwendiger Bestandteil jeder demokratischen Kultur ist.
Dem Slogan »Alles beginnt im Zentrum« kommt eine doppelte Bedeutung zu.
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Für einiges Aufsehen sorgte etwa im Frühjahr 2025 der Fall Salzwedel[3] in Sachsen-Anhalt. Die Stadt hatte bis zu 1,2 Millionen Euro Fördergelder aus dem Bundesprogramm »Demokratie leben!« in Aussicht, um ein Jugendforum über acht Jahre zu finanzieren. AfD und CDU stimmten jedoch geschlossen gegen das Vorhaben. Während die CDU sich auf formale Ungereimtheiten berief, räumte die AfD offen ein, sich an der »linken politischen Einflussnahme« zu stören, wie der MDR berichtete. Nur Wochen später wurde das örtliche autonome Zentrum Kim Hubert von Rechten angegriffen.
Ähnliches ereignete sich im sächsischen Wurzen[4]. Dort blockierte im April der Stadtrat den kommunalen Eigenanteil, den das Netzwerk für demokratische Kultur (NDK) benötigte, um eine große Summe Demokratieförderung des Landes zu erhalten. Nachdem das NDK den nötigen Anteil aus zweckgebundenen Spenden erbrachte, stimmten CDU- und AfD-Fraktion trotzdem gegen das Vorhaben. Das Netzwerk musste daraufhin seine Angebote und Stellen streichen.
Die Probleme beschränken sich jedoch keinesfalls auf Ostdeutschland. Auch der Fall des Kölner Jugendclubs Courage zeigt exemplarisch, wie politisch die finanzielle Steuerung ausfällt: 2024 wurde die städtische Förderung für die Jugendarbeit des Vereins, der sich vor allem zu Rechtsextremismusprävention sowie zu Geschichte und Gegenwart des Nationalsozialismus betätigt, zunächst reduziert, im Jahr 2025 ganz gestrichen.
Rechte Angriffe auf Demokratiebildung und alternative Zentren bleiben jedoch nicht bei parlamentarischen Anfragen und Stimmungsmache, sondern finden zunehmend ihren Ausdruck in Gewalt. Die »Rückkehr der ›Baseballschlägerjahre‹[5]« rief daher jüngst ein Interviewformat des »Spiegel« aus, wobei sich diese Einschätzung auf die Zunahme rechtsextremer Straftaten um 48 Prozent im Jahr 2024 bezog. Tatsache ist: Junge rechtsextreme Gruppen treten immer selbstbewusster, aggressiver und verbreitet durch soziale Medien wahrnehmbarer auf. Deren Aktionen erschöpfen sich nicht nur in Demopöbeleien und Gewaltdrohungen, sondern die gezielten Angriffe auf politisch Andersdenkende nehmen zu. Laut dem Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG)[6] stieg die Zahl rechter Angriffe im Jahr 2024 um 20 Prozent. Besonders dramatisch fiel der Anstieg bei rechtsmotivierte Straftaten gegen »politische Gegner*innen« aus: Um rund zwei Drittel nahmen diese auf über 3400 Fälle insgesamt zu. Die Zahl der Brandanschläge verdoppelte sich dabei.
Einen solchen Anschlag erlebte etwa das Autonome Jugendhaus Bargteheide in der Nähe von Hamburg im Juni 2025. Das seit 1984 bestehende Zentrum für basisdemokratische Jugendarbeit und Kultur wurde bereits vielfach Ziel rechter Angriffe, die sich in den letzten Jahren jedoch zuspitzten. Auch das Hausprojekt Zelle79 im brandenburgischen Cottbus wurde im Mai mit Pyrotechnik angegriffen, und die Täter, die sich als »Adolf Hitler Hooligans« bezeichneten, versuchten sich Zugang zum Gebäude verschaffen. Und während der CSD-Aktionswochen im Oktober wurde dort das queere Hausprojekt Regenbogenkombinat angegriffen. Der rechtsextreme Angriffs auf die Dortmunder Kneipe Hirsch Q[7] machte ebenfalls Schlagzeilen. Anfang Juni 2025 ging eine Gruppe von bis zu 20 Neonazis mit Bierbänken und einem Teleskopschlagstock auf die Szenekneipe los. Auf Instagram hatte die Gruppe sich zuvor mit der Botschaft »Dortmund bleibt DEUTSCH« gefilmt.
Insgesamt nehmen die gewalttätigen Angriffe zu, während der politisch-gesellschaftliche Rückhalt sowie die finanzielle Unterstützung der Zentren immer weiter wegbrechen. Die Kampagne »Alles beginnt im Zentrum« reagiert auf diese Entwicklung mit dem praktischen Vorschlag, einen Solidaritätsfonds für selbstverwaltete Jugend- und Kulturprojekte zu schaffen. Insofern kommt dem Kampagnenslogan eine doppelte Bedeutung zu. Nicht nur die politische Sozialisierung beginnt oft in den Kulturzentren, sondern auch die Verschiebung des gesellschaftlichen Klimas hin zu autoritären und menschenfeindlichen Verhältnissen. Dort muss den Angriffen also auch entgegengetreten werden.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195619.alternative-zentren-verdaechtigt-und-bekaempft.html