Wenn Sie nur einen Aspekt nennen dürften, der den Prozess gegen Daniela Klette zu einem einzigartigen macht, welcher wäre das?
Der Aufwand, mit dem dieser politische Prozess betrieben wird. Angeklagt sind ganz normale Raubstraftaten, eine davon als versuchter Mord, nichts Ungewöhnliches für ein Landgericht. Wegen der Person unserer Mandantin wird dieser Prozess betrieben, als ginge es um ein einmaliges Jahrhundertverfahren. Da werden keine Kosten und Mühen gescheut, Millionen investiert, die woanders dringend gebraucht würden und eine absurde Hochsicherheitsatmosphäre aufgebaut[1]: mit Maschinengewehren bewaffnete Beamte, Natodraht, penibelste Durchsuchungen. Das steht völlig außer Verhältnis.
Daniela Klette wird beschuldigt, eine Militante der RAF gewesen zu sein, aber angeklagt ist sie nicht wegen politischer Anschläge, sondern wegen Geldbeschaffungsaktionen zwischen 1999 und 2016, um das Leben in der Illegalität zu ermöglichen. Warum sprechen Sie von einem politischen Prozess?
Es ist eben die Art und Weise, wie die Verdener Staatsanwaltschaft das Verfahren führt. Die Wohnung unserer Mandantin wurde bis hin zu den Fußleisten in Berlin abgebaut und nach Hannover gebracht. Die Auswertung der Asservate erfolgte mithilfe einer KI, was im Strafverfahren verboten ist, weil keine gesetzliche Grundlage existiert. Dutzende Polizeibeamte wurden in einer Sonderkommission zusammengezogen. Hier geht es nicht um die Aufklärung von Raubstraftaten, sondern um die Bestrafung einer politischen Widersacherin.
Ist in einem politischen Prozess wie diesem auch eine politische Verteidigung erforderlich?
Notgedrungen. Natürlich müssen wir gegen politisch geleitete Grundannahmen verteidigen. Das Landgericht hat zum Beispiel im Eröffnungsbeschluss geschrieben, es gehe davon aus, dass die Verdächtigen ganz grundsätzlich übereingekommen seien, auch den Tod von Menschen in Kauf genommen zu haben. Dafür gibt es überhaupt keine Anhaltspunkte, im Gegenteil, am vergangenen Prozesstag hat wieder eine Zeugin geschildert, wie ausnehmend höflich und vorsichtig die Räuber gewesen seien. Wir können uns das nur mit der Annahme des Gerichts erklären, die Verdächtigen seien aus der politischen Linken. Mithin ist ein Ziel der Verteidigung, dem Gericht zu erklären, dass gerade Linke eben niemals den Tod von Menschen für die Erlangung von Geld für den Lebensunterhalt in Kauf nehmen würden.
Das Medieninteresse hat im Vergleich zu den ersten Prozesstagen merklich nachgelassen. Ist der aktuelle Prozessverlauf nicht mehr interessant?
Das ist ja immer so, die Öffentlichkeit ist da, wenn der Prozess startet und dann wieder, wenn er sich dem Ende nähert. Es gibt allerdings wirklich treue Unterstützer*innen, die jeden Prozesstag im Publikum sind. Und diese Menschen sind für unsere Mandantin in der Tat die wichtigste Stütze in dem ganzen Prozess. Dass sie dem nicht allein ausgesetzt ist in der riesigen Prozesshalle, das bedeutet wirklich viel.
Können Sie schon prognostizieren, wann und wie der Prozess enden wird?
Nächstes Jahr wird der Prozess wohl zu Ende gehen. Das Gericht hat bereits zu erkennen gegeben, dass es der Argumentation der Verteidigung folgt und die abwegige Behauptung der Staatsanwaltschaft vom Mordversuch nicht teilt. Ob es zu Verurteilungen wegen der einzelnen Raubüberfälle kommt, ist noch nicht vorherzusehen. Einen Freispruch würde ich allerdings schon wegen der aufgebauschten politischen Stimmung für sehr fernliegend halten.
Gibt es etwas, was Sie an Ihrer Mandantin beeindruckt?
Die Ruhe, mit der sie dem Verfahren begegnet, ist schon besonders. Es gelingt ihr, ihre Würde zu bewahren und mit aufrechter Haltung durch das Verfahren zu gehen.
Hat Daniela Klette mit einer weiteren Anklage wegen der Attentate der RAF zu rechnen?
Davon müssen wir ausgehen. Der Bundesanwalt Rommel hat bereits im April in einem Podcast erklärt, er werde sie »auf jeden Fall« anklagen – ein bedenkliches Rechtsstaatsverständnis, so etwas in der Öffentlichkeit zu sagen, bevor die Ermittlungen abgeschlossen sind, aber dann haben wir wenigstens Klarheit.
Welcher politische Wille steht hinter dieser zweiten Anklage?
Das müssen Sie Herrn Rommel fragen. Klar ist ja, es geht nicht um vollendete Tötungsdelikte, bei allen drei Taten, die unserer Mandantin vorgeworfen werden, ist kein Mensch verletzt worden. Ganz unabhängig von der überaus fraglichen Beweislage, die sich allein auf schwächste DNA-Spuren stützt, lässt sich das unbedingte Festhalten an der Verfolgung wohl hauptsächlich mit politischer Feindschaft erklären.
Um welche drei Taten handelt es sich?
Es geht um drei Vorwürfe, zwei davon sind relativ unbekannt. Einmal ein Anschlag auf die US-Botschaft in Bonn 1991, bei dem niemand verletzt worden ist, dann ein versuchter Anschlag auf ein Rechenzentrum der Deutschen Bank und schließlich die Sprengung der im Bau befindlichen JVA Weiterstadt 1993, die letzte der RAF zugerechnete Aktion. Insgesamt ist bei keiner der Aktionen ein Mensch verletzt worden.
Was heißt es, in einem Prozess zu verteidigen, der gegen eine vermeintlich ehemalige Militante aus der RAF geführt wird, ohne dass es eine wahrnehmbare Bewegung gibt, die sich mit Fragen beschäftigt, die einst die RAF stellte?
Der Prozess in Verden fühlt sich manchmal so an, als ob die Ermittlungsbehörden sich die Zeit der 70er oder 80er Jahre zurückwünschen[2]. Ihr Verhalten ist etwas aus der Zeit gefallen. Das mutet für mich als Kind der 80er schon etwas peinlich an, diese verstaubte Haltung, so eine Art nachträglicher Siegerjustiz. Aber wir lassen uns davon nicht unterkriegen.