Mit knapp einem Tag Verspätung fiel am Samstagmittag bei der Weltklimakonferenz im brasilianischen Belém der Hammer von COP-30-Präsident André Corrêa do Lago: Vertreter aus knapp 200 Ländern verabschiedeten eine Abschlusserklärung, wie die Staatengemeinschaft in Zukunft in der Klimapolitik weitermachen will. Es soll unter anderem mehr Geld für Anpassung an die Erderwärmung geben, einen Mechanismus für eine gerechte Energiewende, und die Landrechte von Indigenen werden gestärkt. Genug, um das 1,5-Grad-Ziel wieder in Reichweite zu rücken, ist das nach Ansicht von Beobachtern nicht.
Denn auffälliger als diese kleinen Erfolge ist, was nicht beschlossen wurde: Die Verursacher der Klimakrise, die fossilen Brennstoffe Kohle, Öl und Gas, wurden in der Hauptentscheidung der COP 30 gar nicht genannt. Ein von Brasiliens Umweltministerin Marina Silva vorgeschlagener und von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva versprochener Fahrplan zum Ausstieg fand keine Mehrheit. »Ölkonzerne und Exportländer wie Saudi-Arabien und Russland haben verhindert, dass die Konferenz einen beschleunigten Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle verabschiedet«, sagt dazu Martin Kaiser von Greenpeace. Mehr als 80 Länder, insbesondere aus Europa, Lateinamerika und kleine Inselstaaten, hatten sich bis zum Schluss für einen solchen Fahrplan stark gemacht, stießen aber auf den erbitterten Widerstand einer ähnlich großen Ländergruppe um Saudi-Arabien, Indien, Ruassland und China. Aber auch einige der ärmsten Länder der Welt unterstützen das Vorhaben letztlich nicht. Der deutsche Umweltminister Carsten Schneider (SPD) sagte, er sei »ein bisschen enttäuscht«, dass es keine ehrgeizigeren Entscheidungen gegeben habe.
Widerstand gegen fossile Großmächte formierte sich aber dennoch: Einige lateinamerikanische Staaten – im Besonderen Kolumbien mit der engagierten Delegierten Daniela Durán – setzten sich auch im Abschlussplenum noch für einen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ein. Die Welt müsse endlich auf die Wissenschaft hören und handeln, sagte sie. Kolumbien will im kommenden Jahr eine Konferenz ausrichten, um über den Ausstieg aus Fossilen zu diskutieren. Ob dabei dann die größten Verschmutzer-Staaten anwesend sein werden, ist fraglich.
Letztlich gab es keinen verpflichtenden Beschluss zum Ausstieg aus den Fossilen, aber man einigte sich als kleinstem gemeinsamen Nenner auf eine freiwillige Initiative, um die Klimaschutzanstrengungen der Staaten zu beschleunigen. Bestätigt wurde die bereits vor zwei Jahren bei COP 28 in Dubai (Vereinigte Arabische Emirate) getroffene Entscheidung: Im sogenannten UAE-Konsens waren die Staaten dazu aufgefordert worden, den Übergang weg von fossilen Energien einzuleiten. Dort haben sich die Länder auch dazu verpflichtet, die Kapazität der Erneuerbaren bis 2030 zu verdreifachen, die jährliche Steigerungsrate bei der Energieeffizienz zu verdoppeln sowie die Methanemissionen um 30 Prozent zu senken.
»Leider setzt die COP 30 die Entwicklung der vergangenen Jahre fort und nährt erneut falsche Hoffnungen.«
Johan Rockström Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
Nachdem dies im Abschlussplenum verabschiedet war, zog Konferenzleiter Corrêa do Lago das Äquivalent eines weißen Hasen aus den Tiefen der UN-Verfahrensordnung: Als COP-Präsident bis zur COP 31 lancierte er das Ziel der Ausarbeitung von zwei Fahrplänen: einen zu fossilen Energien und einen zur Entwaldung. Mit diesem Kunstgriff kann er zum einen sicherstellen, dass die Fahrpläne Teil des COP-Prozesses sind, und zum anderen kann er dafür auf die Ressourcen des UN-Klimasekretariats in Bonn zurückgreifen. Ob diese Initiativen fortgesetzt werden, hängt allerdings von den kommenden COP-Präsidenten ab. Auch hier gab es einen etwas eigentümlichen Kompromiss: Die Türkei und Australien hatten gestritten, wer die Klimakonferenz im nächsten Jahr ausrichten soll, und einigten sich letztlich darauf, dass die Klimakonferenz 2026 im türkischen Badeort Antalya stattfindet, aber unter australischer Präsidentschaft. COP 32 findet dann in Addis Abeba unter äthiopischer Präsidentschaft statt.
Die Welt kann sich aber aktuell kaum auf etwas einigen und müsste viel schneller handeln. Extremwettereignisse werden immer häufiger – zum Auftakt der Klimakonferenz sorgten starke Regen für Überschwemmungen im Süden von Brasilien, ein Taifun forderte in Vietnam und auf den Philippinen viele Todesopfer. Glimpflicher ging am Donnerstag ein Brand auf dem Gelände der Klimakonferenz aus, bei dem glücklicherweise nur einige Menschen leicht verletzt wurden.
Im Vorfeld war immer wieder infrage gestellt worden, ob die Infrastruktur von Belém für ein Event dieser Größe ausreicht.[1] Weil es zu wenige Hotelzimmer gab, mussten einige der Teilnehmenden auf Kreuzfahrtschiffen schlafen. Brasiliens Präsident Lula hatte die Konferenz aber absichtlich in die Amazonasstadt geholt – um auf die Wichtigkeit von Waldschutz aufmerksam zu machen. Zum Auftakt der Konferenz wurde ein neuer Fonds ins Leben gerufen, über den in Zukunft jährlich Milliarden an tropische Länder zum Schutz von Regenwäldern fließen sollen. [2]Allerdings ist offen, ob dafür genug Geld zusammenkommt. Auf einen »Fahrplan zum Ende der Entwaldung«, wie ihn der brasilianische Präsident versprochen hatte, konnten sich die Länder nicht einigen.
Eigentliches Kernthema von COP 30 war indes die Finanzierung der Anpassung an den Klimawandel. Im Abschlussplenum kam es dabei beinahe zu einer Revolte, als Corrêa do Lago diese Entscheidung weghämmern wollte, ohne auf Wortmeldungen aus dem Raum zu achten. Das ist möglich, wenn nur ein oder zwei Länder ihre Ablehnung des Beschlusses kundtun wollen, doch es waren zahlreiche europäische und afrikanische Länder sowie erstaunlicherweise nahezu alle Nachbarstaaten Brasiliens dagegen. Das Abschlussplenum wurde daher für längere Zeit unterbrochen und die UN-Verfahrensordnung zu Rate gezogen: Diese besagt, dass ein Beschluss gilt, wenn das zeremonielle Hämmerchen des COP-Präsidenten gefallen ist.
Das bedeutet, dass die Länder beschlossen haben, die Finanzierung für Anpassung an die Klimakrise zu verdreifachen, ohne zu sagen, was der Ausgangswert ist. Es sei jedoch nicht klar, wie hoch die Gelder 2025 überhaupt sein werden, kritisierte Sabine Minninger von Brot für die Welt. Wegen des Ausstiegs der USA aus Zusagen sowie der Kürzungen bei der Klima- und Entwicklungsfinanzierung unter anderem durch Deutschland befürchtet Minninger, dass die Mittel in diesem Jahr deutlich zu niedrig ausfallen. Für die Klimaexpertin des kirchlichen Entwicklungswerkes reichen die Beschlüsse zum globalen Anpassungsziel bei Weitem nicht aus, um die ärmsten und verletzlichsten Bevölkerungsgruppen wirksam zu schützen.
Hart ins Gericht mit den Ergebnissen geht auch Johan Rockström. Zehn Jahre nach Paris war COP 30 als Gipfel der »Wahrheit« und »Umsetzung« ausgerufen worden, erinnert der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Die Staats- und Regierungschefs seien dieser Aufgabe aber nicht gerecht geworden. Die einzige Chance, die 1,5-Grad-Erderwärmung in Reichweite zu halten, bestehe darin, die globale Emissionskurve 2026 zu brechen und die Emissionen dann jedes Jahr um mindestens fünf Prozent zu senken, rechnet der Erdsystemwissenschaftler vor. Das hätte in Belém konkrete Fahrpläne für den beschleunigten Ausstieg aus fossilen Energien und für den Schutz der Natur erfordert. Beides sei ausgeblieben, konstatiert Rockström: »Leider setzt die COP 30 die Entwicklung der vergangenen Jahre fort und nährt erneut falsche Hoffnungen.«
Etwas Grund zur Hoffnung machten in Belém vor allem die Menschen: Nachdem Klimakonferenzen jahrelang in autoritären Staaten stattgefunden hatten, die Proteste unterdrücken, war das in Brasilien anders: Ob bei Bootsdemo, Sitzblockade oder Gegengipfel – Aktivistinnen und Aktivisten waren laut, sichtbar und kreativ. Zudem waren so viele Indigene an der Klimakonferenz beteiligt wie nie zu vor. [3]Diese Anstrengungen spiegeln sich zumindest ein klein wenig in den Ergebnissen: So konnten sich die Länder auf einen Mechanismus für eine gerechte Energiewende einigen. Laut dem NGO-Verbund Climate Action Network stärkt das die Verankerung von Menschenrechten im Klimaschutz enorm.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195659.cop-klimakonferenz-der-nicht-beschluesse.html