nd-aktuell.de / 25.11.2025 / Kultur

»Hannah Zabrisky tritt nicht auf«: Achtung, ich leide!

Alles so schön empfindsam hier: Falk Richter hat an der Berliner Schaubühne »Hannah Zabrisky tritt nicht auf« zur Premiere gebracht

Erik Zielke
Liebe ist Krieg und auch alles andere eher zum Weinen: »Hannah Zabrisky tritt nicht auf«
Liebe ist Krieg und auch alles andere eher zum Weinen: »Hannah Zabrisky tritt nicht auf«

Früh fällt dieser Satz an diesem durchweg verlaberten, fast zweistündigen Theaterabend: »Komisch, überall Kriegsschiffe und Panzer.« Das ist der stur gleichbleibende Sound, mit dem Falk Richter (Text und Regie) in »Hannah Zabrisky tritt nicht auf« an der Schaubühne am Lehniner Platz aufwartet.

Hier werden die ganz großen und auch ein paar kleine Probleme verhandelt: Überall auf der Welt herrscht Krieg, in der Beziehung läuft es nicht so gut und mit der Arbeit ist es auch nicht leicht. Man kennt das.

Alle haben hier schwer zu tragen. Martin will doch eigentlich nur ein Stück inszenieren, hat es aber leider mit einer renitenten Autorin, mit einer renitenten Hauptdarstellerin und mit einer renitenten Geliebten zu schaffen. Letztere, Valery, hätte gerne ein bisschen mehr Nähe; nebenbei erfahren wir, dass ihre liberale Mutter in Trumps Amerika verhaftet worden ist und ihr Bruder in Israel gegen Netanyahu protestiert, während sie im Hotelzimmer an sich selbst leidet. Die Autorin des Stücks, Tamara, will endlich ihren Text auf der Bühne so wiedergegeben wissen, wie sie ihn geschrieben hat. Aber sie muss sich mit ihrer ziemlich vereinnahmenden Freundin Cleo rumschlagen. Die demonstrativ woke Cleo wiederum will sich einfach nur gesehen fühlen, in ihrer Beziehung wie in ihrer Arbeit als Künstlerin.

Da hat die titelgebende Hannah Zabrisky als Figur schon mehr zu bieten. Sie sieht als Schauspielerin keinen Grund, die Bühne zu betreten. Denn der Text hat nichts mit ihr, mit den schwerwiegenden Problemen der Welt zu tun. Vor allem aber sieht sie sich einer unangenehmen Bestrafung durch die Natur ausgesetzt: Sie altert. Das ist keine bloße Banalität, sondern zeigt durchaus ein gesellschaftliches Problem: Geben wir alternden Frauen noch eine Bühne?

Jule Böwe, die diese Hannah Zabrisky gibt, ist ein kleiner Lichtblick in dieser Inszenierung. Sie spielt groß auf, offenbart ihre ganze Zerbrochenheit, lamentiert nicht ohne gelegentlich aufscheinenden Witz und zeigt, wie ein Stück mit ihr in der Hauptrolle, das weniger gewollt und mehr vermocht hätte, das Publikum gefesselt hätte.

Hannah Zabriskys Spielpartner und Lebensgefährte weiß kaum, wie er ihren Mann auf der Bühne mimen soll, wo doch ihre reale Beziehung hinüber ist. Und der jüngere Schauspielkollege Leo soll ihren jungen Liebhaber geben und weiß einfach nicht, wo die Leidenschaft herrühren sollte. Zwischen den Proben greift er zum Telefon und spricht mit seinem Bruder, der die Kriegsverbrechen, die er als Soldat begeht, auf Instagram postet. Kurz gesagt, hier schreit es aus jeder einzelnen der schönen Seelen heraus: Achtung, ich leide!

Das alles wirkt ungeheuer konstruiert. Klar ist nur eins: Gelitten wird überall. Im Privaten wie an der Weltlage. Unerträglich ist es dabei, dass über Kriegsopfer in derselben Stimmlage geklagt wird wie über den Umstand, dass der Partner heute schon wieder keine Lust auf Sex hat.

Ist Falk Richters neueste Inszenierung denn nicht vielleicht die notwendige Anklage gegen die Oberflächlichkeit der Kunstwelt? Steckt in dem Theaterabend denn nicht jede Menge Milieukritik? Nicht, wenn man erwartet, dass Kritik auch treffen muss. Hier verpufft sie zwischen der zweiten Flasche Whisky und dem nächsten gescheiterten Trennungsversuch.

Der Selbstbezogenheit des Theaterbetriebs und seiner Blindheit gegenüber Problemen, die größer sind als das eigene Ego, wird man dramatisch nicht beikommen mit einem boulevardesken Theaterstück über das Theater. Wie lächerlich sich der sogenannte zivilisierte Mensch für gewöhnlich macht, das haben andere schon eindrucksvoller vor Augen geführt. Hier wird man das Gefühl nicht los, dass die Inszenierung in genau die Fallen tappt, auf die doch etwas laut polternd den ganzen Abend hingewiesen wird.

Nächste Vorstellungen: 26., 27.11. und 17.1.
www.schaubuehne.de