nd-aktuell.de / 26.11.2025 / Politik

Thüringen: AfD-Klage zu »Berufsfreiheit« abgewiesen

Verfassungsgerichtshof: Zugang zu Referendariat darf »extremistischen« Juristen verweigert werden

Kai Budler
Die Thüringer AfD-Abgeordnete Vivien Rottstedt vertrat ihre Fraktion am Mittwoch bei der Urteilsverkündung vor dem Verfassungsgerichtshof in Weimar.
Die Thüringer AfD-Abgeordnete Vivien Rottstedt vertrat ihre Fraktion am Mittwoch bei der Urteilsverkündung vor dem Verfassungsgerichtshof in Weimar.

In Thüringen darf Nachwuchsjurist*innen der Zugang zum Referendariat[1] weiter verwehrt werden, wenn sie gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung[2] »tätig sind«. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof teilte am Mittwoch mit, der entsprechende Passus des »Thüringer Gesetzes über die juristischen Staatsprüfungen und den juristischen Vorbereitungsdienst« verstoße nicht gegen die Verfassung.

Damit verwarfen die Richter einen Normenkontrollantrag der AfD-Landtagsfraktion[3]. Bereits vor rund zwei Monaten hatte der Gerichtshof in Weimar den Antrag verhandelt. Der Landtag das genannte Gesetz im Dezember 2022 reformiert. Darin ist auch geregelt, wann Nachwuchsjurist*innen der Zugang zum Referendariat versagt werden kann. Nach Paragraf 8 Absatz 1 gilt dies beispielsweise für Bewerber*innen, »die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes tätig sind«. Eine solche Regelung hatte es zuvor bereits in der Prüfungsordnung für den juristischen Vorbereitungsdienst gegeben. Dort war von »aktiven« Tätigkeiten gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung die Rede.

Nach Ansicht der AfD verstößt die Einführung dieser Norm in ein Landesgesetz gleich mehrfach gegen die Thüringer Landesverfassung. Sie sieht unter anderem Verstöße gegen das Recht auf Mitgestaltung des politischen Lebens, die Meinungsfreiheit und das »Verbot der Diskriminierung aufgrund der politischen Überzeugung«. Auch gegen das Grundrecht der Berufswahlfreiheit verstoße die Regelung. Denn wer als Volljurist*in arbeiten will, ist auf die Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst angewiesen. Wird das Referendariat verwehrt, ist der Weg zum notwendigen zweiten Staatsexamen verbaut.

Spätestens seit die AfD in Thüringen vom Verfassungsschutz als »gesichert rechtsextrem« eingestuft wurde, dürfte dies auch Parteifunktionäre betreffen, die den juristischen Berufsweg einschlagen wollen. Um den Passus kippen zu können, hatte die AfD-Fraktion ihn im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle den obersten Thüringer Richtern zur Überprüfung vorgelegt.

In der Begründung der Entscheidung dazu erklärte der Vorsitzende Richter nun, »tätig sein« bedeute nicht, dass Bewerber*innen allein wegen ihrer politischen Meinung oder Parteimitgliedschaft ausgeschlossen würden, sondern wegen konkreter Aktivitäten. Dieser Eingriff in die Berufsfreiheit sei gerechtfertigt, um die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege zu gewährleisten. Es brauche gesellschaftliches Vertrauen in einzelne Richter und die Justiz als Ganzes. Dazu gehörten Unvoreingenommenheit und Sachlichkeit ohne Zweifel an der Wahrung rechtsstaatlichen Handelns sowie Verfassungstreue als Mindestanforderungen an Bewerber.

Beteiligte eines Rechtsstreits, so der Richter, hätten ein Anrecht darauf, dass niemand am Verfahren mitwirke, der gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung agiere und dafür den Zugang zu hochsensiblen Daten nutzen könne. Nicht erst bei strafbarem Handeln dürfe es nicht zugelassen werden, dass Personen die Rechtspflege insgesamt beschädigten. Zugleich sei der Eingriff in die Berufsfreiheit nur verhältnismäßig, wenn Bewerber »deutlich« gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung agierten, betonte der Richter.

Für die AfD-Fraktion war Vivien Rottstedt, selbst Juristin, bei der Urteilsverkündung anwesend. In einer ersten Reaktion sprach sie von »Willkür«.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194842.rechtsextremismus-berlin-verfassungsfeinde-im-staatsdienst.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193877.hufeisentheorie-demokratie-leben-ministerin-laesst-ngos-durchleuchten.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194888.thueringen-neonazis-in-erfurt-zunehmend-enthemmt.html