Satte 17 Minuten Verspätung hatte die erste Fahrt mit einem historischen Tatra-Zug auf der Straßenbahnlinie 21 am Samstag, dem 15. November. Der Grund war offensichtlich: Der Fahrgastandrang war enorm. Dicht gedrängt wie im Berufsverkehr stapelten sich die Menschen in der Bahn.
Dieses Jahr wird es noch zweimal in Berlin Gelegenheit geben, mit Tatra-Bahnen aus tschechischer Produktion zu fahren. »Wir werden an den zwei verkaufsoffenen Adventssonntagen öffentliche Sonderfahrten durch Köpenick anbieten«, sagt Jan Ruppert zu »nd«. Er ist Vorstandsmitglied des Denkmalpflegevereins Nahverkehr Berlin (DVN), der eine umfangreiche Flotte von historischen Straßenbahnen pflegt. Sie sind auf einem Teil des Betriebshofs Köpenick an der Wendenschloßstraße untergebracht.
Am 7. und 21. Dezember wird also ein festlich geschmückter Wagen vom Typ T6A2[1] zwischen den Bahnhöfen Köpenick und Schöneweide unterwegs sein. Das sind die kantigen, etwa 15 Meter langen Fahrzeuge, die bis zu ihrer Ausmusterung Ende 2007 hauptsächlich im Köpenicker Netz[2] gefahren sind. Geliefert worden sind sie von 1988 bis 1991 nach Berlin. Ab 1992 erhielten sie noch eine aufwendige Modernisierung und den nach der Wiedervereinigung eingeführten sonnengelben Lack der BVG.
Außer dem T6-Wagen nebst Beiwagen beschränkt sich die für Sonderfahrten einsetzbare Flotte des Denkmalpflegevereins derzeit noch auf einen Gelenktriebwagen vom Typ Tatra KT4, die bis 2021 noch im Liniendienst der BVG im Einsatz waren. Das Fahrzeug trägt aber den sogenannten Hauptstadtlack, eine orange-beige Farbgebung, die in den 1980er Jahren eingeführt wurde.
Alle weiteren Museumsfahrzeuge können seit über zweieinhalb Jahren nicht mehr eingesetzt werden. Das liegt an der Erhöhung der Fahrdrahtspannung im Berliner Netz von 600 auf 750 Volt, die nach jahrelangen Vorbereitungen im März und April 2023 umgesetzt worden ist. Die Umstellung machte das Straßenbahnnetz deutlich energieeffizienter und es kann dank der höheren Leistungsreserven in einem engeren Takt befahren werden.
Doch mit diesem Schritt war die historische Flotte erst mal lahmgelegt. »Linienfahrzeuge haben Vorrang bei der Umstellung«, äußert Jan Ruppert vom DVN Verständnis. Im Hauptberuf arbeitet er bei der BVG.
Die Tatra-Wagen sind von der BVG auf die neue Spannung umgebaut worden. »Wir vom DVN haben lediglich die Recherchen begleitet und haben vorgeschlagen, was man machen könnte«, berichtet Ruppert. Die Umstellung des Tatra-Gelenkwagens habe ein angehender BVG-Ingenieur im Rahmen seiner Studienarbeit geplant.
»Zu Beginn der neuen Fahrsaison im Frühjahr 2026 werden wir voraussichtlich drei historische Züge[3] einsetzen können«, sagt Jan Ruppert sehr erfreut. Neben den beiden Tatra-Zügen wird das auch ein im Jahr 1927 gebauter Triebwagen vom Typ T24 mit der Nummer 5984 und zwei passende Beiwagen sein.
»Diese Fahrzeuge wurden nun einer Bremsprobe und Radsatzbearbeitung unterzogen. Gleichzeitig wurden die Arbeiten des Denkmalpflegevereins durch BVG-Ingenieure begutachtet und abgenommen«, berichtet das Vorstandsmitglied. Auch die Probefahrt ist schon erfolgt. Sie sei »zur vollsten Zufriedenheit« von allen Wagen bestanden worden. »Nun müssen noch die Formalitäten abgeschlossen werden, in dem die Unterlagen von der technischen Aufsichtsbehörde geprüft werden. Dann erfolgt die Zulassung«, sagt Ruppert.
Auch ein historischer Arbeitswagen ist auf die neue Fahrspannung umgestellt worden. »Für Material- und Wagentransporte ist er sehr wichtig«, so Ruppert. Es handelt sich um einen sogenannten Rekowagen, zu DDR-Zeiten mit Teilen von Vorkriegsfahrzeugen neu aufgebaute Wagen. Auffällig ist die grün-elfenbeinfarbene Lackierung.
Bei den älteren Fahrzeugen musste der Verein alles selbst machen. »Wir haben andere Verkehrsbetriebe befragt, die schon so eine Spannungserhöhung umgesetzt haben«, sagt Ruppert. Im Ergebnis war klar, dass man glücklicherweise an den Fahrmotoren nichts ändern musste, da sie beim Bremsen schon bisher mit Spannungen bis 1000 Volt klarkommen müssen.
Allerdings musste an die sogenannten Nebenverbraucher Hand angelegt werden. Die bisherigen 125-Volt-Glühbirnen mussten durch 167-Volt-Birnen ersetzt werden, auch die elektrische Heizung musste getauscht werden sowie der Transformator, der 24 Volt für die Blinklichter liefert.
Für den 1967 in Ost-Berlin gegründeten Verein ist die Umstellung der Fahrzeuge auf die neue Spannung ein Kraftakt, sowohl finanziell als auch die ehrenamtliche Arbeit betreffend. Allein neun weitere Triebwagen stehen noch auf der Warteliste. Als Nächstes soll ein KT4-Gelenkwagen im rot-elfenbeinfarbenen Lack der Auslieferungszeit wieder einsatzfähig werden. »Spenden sind stets willkommen«, sagt Ruppert.