Er sendet weiterhin Signale in verschiedene Richtungen. Am Dienstag betonte US-Präsident Donald Trump, dass er bald mit dem venezolanischen Staatschef Nicolás Maduro »sprechen könnte«, um »viele Leben zu retten«. Wenn es »auf die gute Art« nicht klappe, ginge es aber auch »auf die harte Tour«. Damit hält sich Trump gegenüber Venezuela alle Optionen offen.
Seit August ziehen die USA in der Karibik Militär zusammen. Mittlerweile befinden sich bis zu 15 000 Soldaten, mehrere Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge sowie der größte Flugzeugträger der Welt in der Region. Vordergründig geht es um die Bekämpfung des Drogenhandels, bei gezielten Angriffen auf angebliche »Drogenboote« starben in der Karibik und im Ostpazifik bislang mehr als 80 Menschen. Die US-Regierung spricht von »Narcoterroristen«, internationale Rechtsexpert*innen von außergerichtlichen Hinrichtungen. Tatsächlich ist das militärische Aufgebot überdimensioniert für den Kampf gegen Drogen, zumal Venezuela nicht zu den wichtigsten Transitländern zählt. Die USA dürften also einen Abgang Maduros, den Zugriff auf Erdöl und weitere Rohstoffe sowie eine Zurückdrängung Chinas und Russlands anstreben. Unklar ist, was Trump mit möglichen Gesprächen genau erreichen will. Ohne weitreichende Amnestie für Maduro und sein Umfeld hat der venezolanische Präsident kaum ein Interesse, ins Exil zu gehen. Um einen militärischen Konflikt mit den USA zu vermeiden, soll Maduro Washington laut New York Times schon vor Monaten in Aussicht gestellt haben, den USA Zugriff auf Erdöl und andere Rohstoffe zu gewähren. Unter dem Einfluss von Außenminister Marco Rubio habe sich Trump jedoch dazu entschieden, auf Konfrontationskurs zu Caracas zu gehen.
Trump hat kein Interesse an langwierigen Verhandlungen.
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Zuletzt drohte Trump auch Kolumbien und Mexiko mit militärischen Schlägen und bezeichnete Kolumbiens linken Präsidenten Gustavo Petro nach dessen Kritik am militärischen Vorgehen der USA als »Drogenbaron«. Da in Kolumbien im kommenden Jahr gewählt wird, dürfte dies bereits andeuten, dass sich Trump aktiv in den Wahlkampf einmischen wird. Gegenüber dem benachbarten Ecuador, das ebenfalls weitreichende Drogen- und Sicherheitsprobleme, aber eine US-freundliche Regierung hat, halten sich die USA hingegen zurück. Es wirkt so, als rücke die alte Monroe-Doktrin, mit der die USA ihre Vorherrschaft über den lateinamerikanischen »Hinterhof« begründeten, wieder brachial ins Zentrum der US-Außenpolitik. Einerseits richtet sie sich heute gegen China, das seinen Einfluss in Lateinamerika in den vergangenen 25 Jahren erheblich ausbauen konnte. Es geht Trump aber offensichtlich auch darum, jegliche Ansätze souveräner lateinamerikanischer Politik zu unterbinden und möglichst überall in der Region US-nahe Regierungen durchzusetzen. Dabei zelebriert er Rechtsbrüche geradezu, um Stärke zu demonstrieren.
Trumps Äußerungen der letzten Monate lassen allerdings nach wie vor keine kohärente Strategie erkennen. Als Begründung für die Militärpräsenz in der Karibik nennt er meist Drogenhandel, betont aber immer wieder auch, Venezuela würde neben Drogen gezielt Kriminelle in die USA schicken. Wiederholte Andeutungen über bevorstehende Angriffe auf Kartelle »an Land« schüren Befürchtungen, dass die US-Regierung venezolanisches Staatsgebiet angreifen könnte. Eine Invasion gilt aufgrund des Aufwands hingegen als äußerst unwahrscheinlich. Auch würde dies Konflikte zwischen Trump und seiner eigenen Basis nach sich ziehen. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov lehnen 70 Prozent der US-Amerikaner*innen eine Militärinvasion in Venezuela ab. Die Präsenz von US-Kriegsschiffen nahe der venezolanischen Küste hingegen befürworten 53 Prozent.
US-Medien wiesen bereits Anfang November darauf hin, dass die US-Regierung intern die Option konkreter Militärschläge innerhalb Venezuelas vorbereitet, die sich gegen Militäreinrichtungen, Regierungsvertreter:innen oder Präsident Nicolás Maduro selbst richten könnten. Anschließend war Trump rhetorisch zurückgerudert und hatte erklärt, es seien vorerst keine Angriffe innerhalb Venezuelas geplant, wenngleich »Maduros Tage gezählt« seien. Vor dem Kongress räumten Regierungsvertreter ein, dass die legale Basis für Angriffe innerhalb Venezuelas nach damaligem Stand nicht gegeben sei.
Dies könnte sich am vergangenen Montag jedoch geändert haben. Seit Anfang der Woche steht das »Sonnenkartell« (Cartel de los Soles) offiziell auf der Liste ausländischer Terrororganisationen des US-Außenministeriums. Bereits Anfang August hatte das Finanzministerium das vermeintliche venezolanische Kartell, das Expert*innen allenfalls als informelles Netzwerk ohne feste Hierarchien beschreiben, offiziell als terroristisch eingestuft. Die neue Klassifizierung ist weitreichender und könnte direkte Angriffe auf Ziele in Venezuela legitimieren. Die US-Regierung behauptet, Maduro persönlich führe die Gruppierung an, die venezolanische Regierung bezeichnet das Kartell als eine »Erfindung der USA«. Vergangenen Freitag gab die US-Luftfahrtbehörde FAA zudem eine Sicherheitswarnung aufgrund »erhöhter militärischer Aktivität« heraus. Die meisten internationalen Fluglinien setzten ihre Verbindungen von und nach Caracas daher in den vergangenen Tagen aus, vor der venezolanischen Küste zeigten sich mehrfach US-Kampfjets.
Dass Washington die Regierung in Caracas allein durch äußeren Druck zu Fall bringt, ist dennoch eher unwahrscheinlich. In Venezuela dürften Washingtons Drohgebärden allerdings eher die Regierung stärken, die zur »nationalen Einheit« aufruft. Mit Ausnahme des rechten Rands der Opposition um die US-nahe Friedensnobelpreisträgerin María Corina Machado stößt das Vorgehen Washingtons selbst bei Regierungskritiker*innen auf Ablehnung. Möglicherweise sitzt Maduro auch diese Krise aus. Die Bedingungen für einen internen Aufstand jedenfalls sind auch aufgrund der Repression gegen Kritiker*innen derzeit kaum gegeben. Und sollte Maduro doch durch einen Putsch oder einen erzwungenen Rücktritt das Feld räumen, bedeutet dies noch lange nicht, dass problemlos eine US-freundliche oder gar demokratische Regierung übernehmen würde. Vielmehr könnten in Venezuela im Anschluss unterschiedliche Fraktionen um die Macht konkurrieren.
Eine Überwindung der venezolanischen Dauerkrise kann nur über Gespräche gelingen, die breite Teile der Gesellschaft einbeziehen müssten. Ein Telefonat zwischen Trump und Maduro kann dabei allenfalls der Anfang sein, um einen drohenden Krieg zu vermeiden. Der US-Präsident allerdings wird kein Interesse an langwierigen Verhandlungen haben, sondern Maduros Abgang oder zumindest einen Erdöl-Deal erzwingen wollen.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195799.suedamerika-usa-und-venezuela-auf-die-harte-tour.html