nd-aktuell.de / 28.11.2025 / Politik

Honduras: »Zentrale Wahlversprechen wurden nicht umgesetzt«

Menschenrechtsanwalt Joaquín Mejía über die Bilanz der linken Präsidentin Xiomara Castro

Interview: Knut Henkel
Ihr Kandidat? Indigene Menschen gehen in Tegucigalpa vor einer Plakatwand des Präsidentschaftskandidaten Salvador Nasralla von der Liberalen Partei vorbei.
Ihr Kandidat? Indigene Menschen gehen in Tegucigalpa vor einer Plakatwand des Präsidentschaftskandidaten Salvador Nasralla von der Liberalen Partei vorbei.

Herr Mejiá, wie beurteilen Sie die Bilanz der ersten Frau im Präsidentenpalast, Xiomara Castro von der linken Partei Libre, deren Nachfolger oder Nachfolgerin am Wochenende gewählt wird?

Sie ist durchwachsen. Auf der einen Seite sehe ich Erfolge im Bildungssystem, wo viele Schulen renoviert, etliche neu gebaut wurden und wo es einen flächendeckenden Ansatz gab. Das heißt, es wurde auch auf regionaler Ebene investiert. Das ist auch beim Ausbau der maroden Verkehrsinfrastruktur der Fall. Honduras ist unter der Ägide von Xiomara Castro bei der Modernisierung und Reparatur der Infrastruktur vorangekommen. Zudem hat die Regierung ein Gesetz erlassen, demnach in nationalen Schutzgebieten Bergbau verboten ist.

Wird dieses Gesetz umgesetzt? Wird zum Beispiel die Mine Los Pinares zur Förderung von Eisen, Kobalt und Nickel im Nationalpark Carlos Escaleras rückgebaut?

Der Prozess läuft, ist aber noch nicht abgeschlossen.

Wie sieht die Bilanz im Justizsektor aus?

Hier ist die Reform-Bilanz weniger positiv. Es war das Ziel, die Judikative unabhängiger von der Politik zu machen, sie auf allen Ebenen effektiver und transparenter zu machen. Doch damit musste die Regierung warten, bis das Mandat des alten Generalstaatsanwalts Óscar Chinchilla im September 2023 ausgelaufen war – er blockierte alle progressiven Entscheidungen, war eine Figur der Narco-Diktatur von Präsident Juan Orlando Hernández (2014-2022) und hielt ihm und der von ihm lange kontrollierten »Partido Nacional« die Treue. Das war eine Hürde ...

Hernández wurde 2022 in die USA ausgeliefert und dort 2024 zu 45 Jahren Haft und 7,5 Millionen Dollar Geldstrafe verurteilt. Trotzdem blockierte Chincilla weiter?

Bis September 2023. Das Urteil datiert aus dem Juni 2024 und hat der Regierung von Xiomara Castro Rückenwind verliehen, aber es gab auch schon zuvor Reformen, die die Re-Demokratisierung einleiteten. Die große Hürde war jedoch bis zur letzten zentralen Parlamentssitzung im Juni 2025 die fehlende eigene Mehrheit von Libre im Parlament – Verhandlungen waren notwendig, es mussten Kompromisse gesucht und durchgesetzt werden. Für die sehr ideologisch auftretende Partei der Präsidentin, die oft nur schwarz und weiß kennt, war das schwer. Vielleicht hat das dazu beigetragen, dass nicht mehr herumkam, dass zentrale Wahlversprechen nicht umgesetzt wurden.

Wie steht es um die Einführung einer UN-Kommission gegen Straflosigkeit und Korruption (CICIH), die die Justiz stärken und die Korruption eindämmen sowie die aktive Verteidigung der Menschenrechte vorantreiben sollte?

Die CICIH war eines der zentralen Wahlversprechen und die Regierung hat sich für ihre Einführung durchaus engagiert. Es war alles vorbereitet und dann gab es am 28. Juni die zentrale Abstimmung im Parlament. Präsidentin Castro erhielt keine Mehrheit für die Gesetzesvorlagen, die der UN-Kommission weitreichende Rechte einräumen sollte, um der schwachen Justiz des Landes auf die Beine zu helfen, Korruption einzudämmen und für mehr Transparenz zu sorgen. Damit war das wohl wichtigste Wahlversprechen Castros auf der Zielgeraden ihres Mandats gescheitert, das ist richtig. Für viele Abgeordnete ist der Schub für mehr Gerechtigkeit und weniger Korruption ein No-Go. Die Zahl der Parlamentarier, die ihr Eigeninteresse über das Gemeinwohl stellen und so Reformprojekte blockieren, ist zu hoch. Ich hoffe, dass sich daran etwas ändert.

Wie beurteilen Sie die Menschenrechtsbilanz der Regierung?

Da sehe ich durchaus Fortschritte. Es gibt eine sinkende Mordquote, eine rückläufige Zahl an Femiziden sowie weniger Attentate auf Umweltaktivist*innen. 2023 wurden 17 Umweltaktivist*innen ermordet, 2024 waren es sieben und in diesem Jahr hoffe ich auf ein weiteres Sinken der Zahlen.

Auf der anderen Seite der Medaille stehen 52 Morde an queeren Menschen im Jahr 2023 – fast doppelt so viele wie die 29 Morde im Jahr 2022. Auch 2024 und 2025 war die Mordquote hoch und in den ersten acht Monaten dieses Jahres dokumentierten die LGBTIQ-Organisationen 32 Morde. Kaum einer wird aufgeklärt.

Honduras ist ein sehr konservatives Land und die staatlichen Schutz- und Kontrollinstanzen funktionieren nicht ausreichend. Obendrein ist die Armee in den vergangenen Jahren noch mächtiger geworden, notwendige Reformen in diesem Bereich sind versandet – das ist sicherlich Teil des Problems.

Transfrauen und Transmänner, die sich aufgrund fehlender Arbeitsperspektiven oft prostituieren müssen, sind besonders gefährdet – auch von der Militärpolizei …

Ja, das zu ändern, gehört zu den zentralen Aufgaben der neuen Regierung.

Rixi Moncada, Kandidatin von Libre, führt manche Umfragen an – eine gute Wahl?

Sie ist die am besten qualifizierte Kandidatin, daran besteht kein Zweifel.