Belcanto à la Malibran

Cecilia Bartoli in der Berliner Philharmonie

  • Liesel Markowski
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie kann es immer noch und seit mehr als zehn Jahren mit wachsendem Erfolg: Cecilia Bartoli (Foto: dpa), Spitzenvirtuosin des Belcanto, betört ihr Publikum mit der Ausdruckskraft ihrer einzigartig schönen Stimme. Gerade wieder zu erleben beim jüngsten Berliner Gastspiel der italienischen Mezzosopranistin im prallvollen Rund der Philharmonie.

Starkult der gehobenen Art? Wohl auch das, aber Bartoli besteht auf unverwechselbar eigenem Anspruch: Sie will nicht mit Gängigem brillieren, sondern hat den Mut, in Archiven Vergessenes aufzuspüren und neu zu beleben. Nach Musiken Antonio Salieris und aus römischen Opern des frühen 18. Jahrhunderts galt ihr Bemühen nun einer berühmten Vorläuferin: Maria Malibran, der legendären Mezzosopranistin, die einst in den Metropolen Europas und auch in Amerika bejubelt worden ist.

Während nur einer Dekade im 19. Jahrhundert wurde Malibran zu einem Wunder an künstlerischer Ausstrahlung und Faszination, wie Zeitzeugen von Heine bis zu Chopin und Liszt belegt haben. Ein kurzes Leben (1808–1836) war der Tochter des spanischen Tenors Manuel García beschieden. Der tyrannische Vater, unerbittlich strenger Gesangslehrer, trieb ihre tiefe Stimmlage in die Höhe einer Sopran-Primadonna. Die (unglückliche) Ehe mit dem französischen Geschäftsmann Malibran erlöste sie vom väterlichen Druck, eine zweite (glückliche) mit dem belgischen Geiger Charles-Auguste de Bériot dauerte nur ein halbes Jahr, als die Sängerin an den Folgen eines Reitunfalls 28-jährig starb.

Der Malibran galt die Bewunderung und Unterstützung hervorragender Komponisten wie Mendelssohn Bartholdy, Rossini, Donizetti, Bellini, deren zum Teil für sie geschriebenen Werke sie sang. Cecilia Bartoli ist mit ihrem Programm Malibrans Lebensweg nachgegangen. Dieser Zyklus von Rezitativen, Szenen und Arien der historischen Vorgängerin lässt Ähnlichkeit nicht nur durch die Mezzolage, sondern ebenso im Gestus und der virtuosen Exklusivität annehmen. Eine persönliche Exkursion in die Historie gewissermaßen, bei der ihr das Züricher Orchestra »La Scincilla« (der Funke) unter der energischen Konzertmeisterin Ada Pesch zur Seite stand: korrekt, teilweise etwas grobkörnig begleitend und mit eigenen Instrumentalnummern wie Ouvertüren, Scherzi, Klarinetten- und Violinsoli Abwechslung schaffend.

Bartoli bot erlesene Gesangskunst mit emotionalem Feuer und prickelnder Koloratur-Virtuosität. Einprägsam die innigen Kantilenen in langsamen Stücken wie Mendelssohns »Infelice!...« mit konzertantem Violinsolo, der tragischen Romanze »Cari giorni« des vergessenen Giuseppe Persiani oder Desdemonas »Lied von der Weide« und »Gebet« aus Rossinis »Otello«. Dazu die große Operngeste, eindrucksvoll mit Arie und Cabaletta aus Bellinis »La sonnambula« in bravourösen Koloraturen präsentiert. Noch effektvoller mit Johann Nepomuk Hummels »Air à la tirolienne« in rasanten Variationen und Jodel-Einlagen, ein Gaudi fürs Publikum, das sich mit Ovationen für diesen Ausflug in eine vergessene Welt bedankte. Eine Welt, die nicht rekonstruiert werden, aber vielerlei Anregungen geben kann. Auf Bartolis neuer CD »Maria« (Decca) ist sie nachzuerleben.

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