nd-aktuell.de / 01.12.2025 / Berlin

Linker Unternehmerverband Owus löst sich auf

Nach 31 Jahren fehlte es auch in Berlin und Brandenburg an neuen Mitgliedern

Andreas Fritsche
Die Tageszeitung »nd« gehörte dem Owus an und in ihrem angestammten Haus am Berliner Ostbahnhof wurde der Landesverband jetzt aufgelöst.
Die Tageszeitung »nd« gehörte dem Owus an und in ihrem angestammten Haus am Berliner Ostbahnhof wurde der Landesverband jetzt aufgelöst.

»Eigentlich braucht es einen Verband wie Owus«, sagt Rolf Sukowski. Owus war ein der Linkspartei nahestehender Offener Wirtschaftsverband[1] von kleinen und mittleren Unternehmen, Freiberuflern und Selbstständigen.

Sukowski war 18 Jahre lang Vorsitzender des Landesverbands Berlin-Brandenburg – bis eine Mitgliederversammlung am 7. November mit 20 Stimmen bei zwei Enthaltungen die Auflösung beschloss. Es wurden Liquidatoren bestellt. Die sollen schlussendlich das Restvermögen an den Solidaritätsdienst international spenden.

Die Mitglieder sind alt geworden

Der Bundesverband hatte sich bereits zuvor abgewickelt, ebenso ein paar Landesverbände, während andere, nicht offiziell aufgelöste Landesverbände schon mehrere Jahre inaktiv sind. Der Berlin-Brandenburger Landesverband hat wahrscheinlich den Schlusspunkt unter das Kapitel Owus gesetzt. 31 Jahre lang hat es ihn gegeben. Anfangs zählte er bis zu 120 Mitglieder, darunter auch das »nd«, wie der gewesene stellvertretende Landesvorsitzende Robert Gadegast[2] erklärt.

Zuletzt waren es gerade einmal noch 46 Mitglieder, von denen lediglich zwölf weiterhin unternehmerisch tätig waren. Die übrigen hatten ihre berufliche Selbstständigkeit teils längst aufgegeben oder ihre Firmen an Nachfolger übergeben und wirkten im Ruhestand nur noch als Fördermitglieder im Verband mit. Es fehlte an Nachwuchs.

Sukowski war Unternehmensberater, Gadegast hatte einen kleinen Handwerksbetrieb, der Fliesen legte und andere Arbeiten an Bädern ausführte. Es gab im Verband auch Steuerberater, einen Gerätebau für Optiker, Inhaber von Reisebüros und so weiter.

Dem Vorstand fiel es nicht leicht, die Auflösung vorzuschlagen. »Eigentlich schon seit unserer Festveranstaltung zum 30. Jubiläum im vorigen Jahr geisterte diese Konsequenz durch die Gänge«, berichtet Sukowski, »immer im Widerstreit mit dem Prinzip Hoffnung und den Alternativen, einfach still und leise zu verschwinden oder einen ordentlichen Schlussstrich zu ziehen mit allen juristischen Konsequenzen.« Es sollte keine Trauerfeier werden, sondern ein starker Abgang.

Den hat sich Owus verdient. Der Verband fand einst immer ein offenes Ohr bei dem 2013 verstorbenen Parteivorsitzenden Lothar Bisky[3]. In ihm hatte Owus »einen engen Verbündeten«, sagt Sukowski. Zuweilen als linke Kapitalisten belächelt, spielten seine Mitstreiter eine wichtige Rolle.

Früh für Mindestlöhne eingetreten

»Bei einigen Themen waren wir Vorreiter«, sagt Sukowski. So sprach sich Owus bereits im Dezember 2006 für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns aus. »Zu diesem Zeitpunkt waren selbst Vertreter der Gewerkschaften dagegen. Die einen befürchteten den Untergang des Abendlandes und flächendeckende Insolvenzen, die anderen den Verlust der Tarifautonomie«, erinnert Sukowski. »Das Totschlagargument der Gegner, dass Abermillionen von Arbeitsplätzen vernichtet werden, zog aber nicht mehr. Denn die anderen EU-Länder hatten gezeigt, dass es geht.« Es sei ums Prinzip gegangen. Schließlich lautete das Gründungsmotto: »Aus wirtschaftlicher Vernunft und sozialer Verantwortung!«

Das damals rot-rot regierte Land Berlin hatte 2008 einen Vergabemindestlohn[4] von anfangs 7,50 Euro eingeführt. So viel mussten Firmen ihren Beschäftigten ab da pro Stunde mindestens bezahlen, wenn sie öffentliche Aufträge erhalten wollten. Seit 2024 liegt diese schrittweise angehobene Lohnuntergrenze bei jetzt 13,69 Euro. Im Jahr 2012 zog das zu diesem Zeitpunkt ebenfalls rot-rot regierte Brandenburg[5] nach und führte einen Vergabemindestlohn von zunächst acht Euro ein, der mittlerweile bei 13 Euro liegt.

Einen bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn für alle gibt es seit 2015. Er liegt aktuell bei 12,82 Euro und steigt zum 1. Januar 2026 auf 13,90 Euro, ein Jahr später auf 14,60 Euro.

»Wir haben viel erreicht«, findet Rolf Sukowski. »Was wir nicht erreicht haben, ist der Übergang in die junge linke Unternehmerschaft, so es diese gibt.«

Owus verstand sich als politische Vereinigung, die keine Partikularinteressen bestimmter Branchen vertrat und Lobbyarbeit nicht aus Eigennutz betreiben wollte. Das habe vielleicht zu den Schwierigkeiten beigetragen, neue Mitglieder zu gewinnen, erklärt Rolf Sukowski. Nichts geworden ist aus Mindesthonoraren für Selbstständige, die sich Owus genauso wie Mindestlöhne gewünscht hatte. Solche Mindesthonorare gibt es bis heute nicht.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/854191.mm-owus-versucht-den-neuanfang.html?
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/816455.keine-minuspunkte-fuer-linke-unternehmer.html?
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/78188.mit-pfannkuchen-in-die-endrunde.html?
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/915466.mindestlohn-laenger-niedrig.html?
  5. https://www.nd-aktuell.de/artikel/157363.waschen-schneiden-leben-koennen.html?