nd-aktuell.de / 01.12.2025 / Berlin

Fliegerhorst Holzdorf: Sicherstes Angriffsziel Deutschlands

Erste Stufe von Raketenabwehrsystem am Fliegerhorst Holzdorf wird am Mittwoch in Betrieb genommen

Andreas Fritsche
Dietmar Woidke (l.) und Reiner Haseloff gedenken »gefallener Kameraden«. In einer friedlichen Welt wären keine Kriegsopfer zu beklagen.
Dietmar Woidke (l.) und Reiner Haseloff gedenken »gefallener Kameraden«. In einer friedlichen Welt wären keine Kriegsopfer zu beklagen.

»Das ist einer der Zukunftsstandorte der Luftwaffe«, sagt Generalmajor Christian Leitges am Montag auf dem Fliegerhorst Holzdorf[1]. Dieser Stützpunkt der Bundeswehr, durch den die Landesgrenze von Brandenburg und Sachsen-Anhalt verläuft, wird erheblich aufgerüstet. Bis 2027 sollen hier 47 schwere Transporthubschrauber stationiert und bereits am Mittwoch soll die erste Stufe des aus Israel gelieferten Raketenabwehrsystems Arrow 3[2] in Betrieb genommen werden.

Das freut Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU). »Ich bin sehr dankbar für diesen Schutzschirm, den wir hier aufgebaut bekommen. Damit leben wir im sichersten Teil Deutschlands, und das sehen die Bürger genauso«, sagt er.

Auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) zeigt sich sehr zufrieden. Die Investitionen helfen seiner Ansicht nach der wirtschaftlichen Entwicklung einer abgelegenen Region, in der es so gut wie keine Industrie gibt. »Die Soldaten hier produzieren für uns Sicherheit und Frieden«, meint Woidke.

Dass es eine »große Friedenssehnsucht« in der Bevölkerung gebe, weiß der Politiker. Er habe sie auch, versichert er. Lieber heute als morgen sollte es zumindest erst einmal einen Waffenstillstand in der Ukraine geben. Doch solange der russische Präsident Wladimir Putin seine Streitkräfte weiter angreifen lasse, müsse Deutschland in die Aufrüstung investieren. Woidke sagt aber nicht Aufrüstung. Er sagt »Verteidigungsfähigkeit«. Und er wünscht sich, dass die Rüstungsindustrie nicht immer nur im Westen[3] Deutschlands angesiedelt wird. Der Osten soll ein Stück von diesem Kuchen abbekommen. Es gebe Firmen, die sich für die Wartung der Militärhubschrauber in Holzdorf interessieren, berichtet Woidke.

Es müssen Hallen für die Hubschrauber gebaut werden und viele andere Dinge mehr. Auch an Straßen sowie an Kitas und Schulen für die Kinder der Soldaten und Zivilbeschäftigten ist gedacht. 2000 Personen sind aktuell am Fliegerhorst tätig und es sollen 2700 werden, wie Generalmajor Leitges erläutert.

Am Montag tagt zum fünften Mal die vor zwei Jahren gebildete Taskforce Holzdorf, in der sich die beiden Bundesländer und die Kommunen mit der Bundeswehr abstimmen, was getan werden soll. Man sei gut vorangekommen und im Zeitplan, versichert Dietmar Woidke. Elbe-Elster-Landrat Christian Jaschinski (CDU) ist ebenso zu dem Treffen gekommen wie Herzbergs Bürgermeister Karsten Eule-Prütz (parteilos) und Brandenburgs Innenminister René Wilke (SPD).

Es fehlt Infrastrukturminster Detlef Tabbert (BSW), aber seine Staatssekretärin Ina Bartmann sitzt mit am Tisch. Wegen des Raketenabwehrsystems Arrow 3 wackelte Ende 2024 die Wiederwahl von Dietmar Woidke zum Ministerpräsidenten. Denn der Abgeordnete Sven Hornauf[4] (BSW) hatte angekündigt, im Landtag nicht für Woidke zu stimmen, wenn dieser an den Plänen für Holzdorf festhalte. Die Koalition hätte keine Mehrheit mehr gehabt, wenn es noch einen zweiten Abweichler gegeben hätte. Dietmar Woidke betont am Montag, für ihn gelte weiter der Koalitionsvertrag mit dem BSW[5], in dem Investitionen in die Verteidigungsfähigkeit geregelt seien. Er gedenke, daran festzuhalten.

Sven Hornauf bleibt bei seiner Kritik. Es werde jetzt offen zugegeben, dass Arrow 3 vorrangig der Einsatzhöhe von 100 bis 120 Kilometern diene, also dem Abschuss von Satelliten, erklärt er. Darum werde das System beschafft. Für die Abwehr anfliegender ballistischer Raketen hätten die US-Truppen bereits Stützpunkte in Polen und Rumänien, die Westeuropa komplett abschirmen.

Auf sachsen-anhaltischer Seite soll die Stadt Jessen zum Mittelzentrum »hochentwickelt« werden, wie Reiner Haseloff sagt. Der Landtag in Magdeburg werde das demnächst beschließen. Mit dem Krieg in der Ukraine haben Haseloff zufolge alle begriffen, »dass die Landesverteidigung das A und O ist«. Es müssten jetzt alle Verkehrswege Richtung Osten vordringlich ausgebaut werden. Gerade habe er die in Litauen stationierten deutschen Panzersoldaten besucht, berichtet Haseloff.

Der Bundestagsabgeordnete Christian Görke (Linke) hält Haseloff für blauäugig. »Der Fliegerhorst und seine Umgebung sind nicht der sicherste Teil Deutschlands, sondern werden der unsicherste«, sagt Görke. »Solche militärischen Orte sind die ersten Angriffsziele.«

Görke und Haseloff werden keine Freunde mehr. Aber Woidke versteht sich ausgezeichnet mit Haseloff, auch wenn beide verschiedenen Parteien angehören. Im Fliegerhorst Holzdorf ehren sie an einem Gedenkstein am Rande der Kaserne noch gemeinsam »gefallene Kameraden«. Dann verabschiedet sich Haseloff mit den Worten: »Gut, schön, grüß deine Frau!«

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1186501.koalitionsverhandlungen-bsw-in-brandenburg-oeffnet-hintertuer-zur-aufruestung.html?
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191849.militaer-zeitenwende-am-fliegerhorst.html?
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1187648.asylpolitik-ressort-fuer-ruestung-und-kriegsopfer.html?
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191200.landtag-bsw-fraktion-zieht-sven-hornauf-aus-ausschuessen-ab.html?
  5. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188015.aufruestung-brandenburger-bsw-will-raketenabwehr-abwehren.html?