nd-aktuell.de / 01.12.2025 / Politik

Rüstungsumsätze: Große Profiteure in Europa

Bericht aus Stockholm: Aufrüstung hat insbesondere deutschen Waffenschmieden genützt

Jana Frielinghaus
Artilleriemunitionherstellung im brandneuen Werk von Rheinmetall in Unterlüß
Artilleriemunitionherstellung im brandneuen Werk von Rheinmetall in Unterlüß

Der am Montag veröffentlichte Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri[1] zu den 100 größten Rüstungsfirmen zeigt: Waffenhandel ist in diesen Zeiten das lukrativste Geschäft[2]. Laut dem Report erhöhten sich die Umsätze der 100 größten Unternehmen der Branche im vergangenen Jahr erneut um knapp sechs Prozent. Sie erreichten mit insgesamt 679 Milliarden US-Dollar (585,57 Milliarden Euro) eine neue Rekordmarke.

Überdurchschnittlich wuchsen die Einnahmen der 26 größten europäischen Unternehmen[3] mit Ausnahme Russlands, nämlich um 13 Prozent auf 151 Milliarden US-Dollar (130 Milliarden Euro) im Vergleich zum Vorjahr. Innerhalb Europas wiederum profitierten die deutschen Firmen am stärksten[4]. Die vier deutschen Unternehmen in der Sipri-Liste – Rheinmetall, Diehl, Thyssen Krupp Marine Systems und Hensoldt – hatten sogar ein Umsatzplus von 36 Prozent und nahmen mit Waffendeals 14,9 Milliarden Dollar (12,9 Milliarden Euro) ein.

Deutscher Primus ist Rheinmetall mit 8,2 Milliarden Dollar Umsatz (plus 47 Prozent). Das Unternehmen rückte in der Top-100-Liste um sechs Ränge auf Platz 20 vor. Das Unternehmen ist größter Auftragnehmer des Bundes bei Munition und Panzern. Konzernchef Armin Papperger hatte im Februar 2024 angekündigt, die Produktion von Artilleriemunition mindestens zu verdoppeln. Eine neue Munitionsfabrik am Hauptsitz Unterlüß wurde im August eröffnet, eine weitere in Litauen soll im kommenden Jahr die Produktion aufnehmen.

Allein 39 der 100 größten Rüstungskonzerne befinden sich in den USA. Auf sie entfiel fast die Hälfte des Umsatzes.

Prozentual wuchs der Rüstungsumsatz von Diehl noch stärker als bei Rheinmetall, nämlich um 53 Prozent auf 2,11 Milliarden Dollar. Thyssen Krupp nahm 2,29 Milliarden Dollar ein (plus zwölf Prozent), Hensoldt 2,24 Milliarden Dollar (plus 18 Prozent).

Sipri-Forscherin Jade Guiberteau Ricard sagte der Nachrichtenagentur AFP, die besonders starke Erhöhung der Umsätze in Europa stehe im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg und der »Wahrnehmung der Bedrohung durch Russland«. Neben der Nachfrage nach Waffen durch die Ukraine sorge auch das Wiederauffüllen von Beständen in jenen Ländern, die der Ukraine Waffen liefern, für wachsende Umsätze. Dazu komme der Ausbau der eigenen militärischen Kapazitäten in Europa.

Die größte prozentuale Umsatzsteigerung verzeichnete übrigens mit der Czechoslovak Group ein tschechisches Unternehmen. Seine Einnahmen wuchsen um 193 Prozent auf 3,6 Milliarden Dollar gegenüber 2023. Es liefert Munition an die Ukraine, finanziert wird dies vom tschechischen Staat.

Das Umsatzwachstum der großen Rüstungskonzerne in den USA war demgegenüber unterdurchschnittlich. Es lag bei durchschnittlich 3,8 Prozent. Sipri begründete dies mit »weit verbreiteten Verzögerungen und Budgetüberschreitungen«, insbesondere bei der Entwicklung und Produktion zentraler US-Rüstungsgüter wie dem hochmodernen Kampfjet vom Typ F-35, U-Booten der Columbia-Klasse und der Interkontinentalrakete Sentinel.

Allerdings entfiel mit 334 Milliarden Dollar immer noch fast die Hälfte der Umsätze auf die großen US-Unternehmen. 39 der Top 100 unter den Herstellern von Kriegsgerät befinden sich in den Vereinigten Staaten. Branchenprimus Lockheed Martin verzeichnete 2024 allein einen Umsatz von 64,65 Milliarden Dollar ein. Platz 2 und 3 der Sipri-Rangliste werden von den US-Konzernen RTX und Northrop Grumman gehalten. Erstmals tauchte in der Aufzählung auch das Raumfahrtunternehmen Space X (Platz 77) von Multimilliardär Elon Musk auf: Die Rüstungseinnahmen des Unternehmens haben sich innerhalb eines Jahres auf 1,8 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt.

Auch die beiden größten russischen Rüstungskonzerne steigerten ihre Umsätze laut Sipri-Report[5] im Vergleich zum Vorjahr trotz internationaler Sanktionen deutlich. Die Gesamteinnahmen des Unternehmens Rostec und der Werftengruppe United Shipbuilding Corporation wuchsen demnach um 23 Prozent auf insgesamt 31,2 Milliarden Dollar. Dies ist vor allem auf die wegen des Krieges gegen die Ukraine anhaltend hohe inländische Nachfrage zurückzuführen.

Für Asien und Ozeanien verzeichnete Sipri demgegenüber um 1,2 Prozent gesunkene Einnahmen, was das Institut »fast ausschließlich« auf einen zehnprozentigen Umsatzrückgang der acht größten chinesischen Hersteller zurückführt.

Israels Krieg im Gazastreifen trug derweil maßgeblich zu den um 16 Prozent auf 16,2 Milliarden Dollar gestiegenen Umsätzen der drei israelischen Konzerne in der Sipri-Liste bei. Zugleich blieb die internationale Nachfrage nach israelischen Rüstungsgütern groß. »Die wachsende Kritik an Israels Vorgehen in Gaza scheint wenig Auswirkungen auf das Interesse an israelischen Waffen zu haben«, konstatierte Sipri-Expertin Subaida Karim. Viele Staaten hätten auch 2024 neue Bestellungen bei den israelischen Unternehmen aufgegeben.

Nach Angaben von Sipri-Expertin Guiberteau Ricard steht die Rüstungsbranche auch vor Herausforderungen, »die sich auf die Kosten und Liefertermine auswirken könnten«. »Insbesondere die Abhängigkeit von kritischen Mineralien dürfte die europäischen Aufrüstungspläne erschweren«, sagte sie. So hätten das transeuropäische Unternehmen Airbus und der französische Konzern Safran bis 2022 die Hälfte ihres Titanbedarfs mit russischen Importen gedeckt. Nach Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine hätten sie sich neue Lieferanten suchen müssen. Auch die chinesischen Exportbeschränkungen für kritische Mineralien könnten den Konzernen Probleme bereiten.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190896.sipri-milliarden-fuer-das-militaer-schlechte-neue-ruestungswelt.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191942.sipri-bericht-nukleares-wettruesten-toedliche-truempfe.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190856.ruestungskosten-sipri-zahlen-weltweite-militaerausgaben-auf-rekordniveau.html
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1181676.militaerausgaben-sipri-bericht-die-ruestungsspirale-kennt-kein-ende.html
  5. https://www.sipri.org/media/press-release/2025/sipri-top-100-arms-producers-see-combined-revenues-surge-states-rush-modernize-and-expand-arsenals