nd-aktuell.de / 01.12.2025 / Berlin

SEZ-Abriss in Berlin: Das Ringen geht weiter

Nach dem Abrissstopp am SEZ fordern über 150 Experten den Erhalt des Baus – während sich die zuständige WBM mit ihren Anwälten berät

Patrick Volknant
Haben einiges in Bewegung gebracht: Abrissarbeiten am DDR-Erlebnisbad vor gut einer Woche
Haben einiges in Bewegung gebracht: Abrissarbeiten am DDR-Erlebnisbad vor gut einer Woche

Die Namensliste am Ende des Briefes ist lang und gespickt mit akademischen Titeln. Über 150 Expert*innen von europaweit 60 Universitäten und Institutionen fordern den Berliner Senat zum Erhalt des ehemaligen Sport- und Erholungszentrums (SEZ) auf. Sie alle sind überzeugt: Bei dem umkämpften Gebäudekomplex in Friedrichshain handelt es sich um ein bedeutendes kulturelles Erbe der Stadt Berlin.

»Das SEZ ist ein wichtiges bauhistorisches Zeugnis der Architektur[1] der späten 1970er Jahre in der DDR«, heißt es in dem Schreiben. Als seltenes Beispiel der High-Tech-Architektur der DDR-Spätmoderne müsse der Bau geschützt werden. Innovationen wie das beheizte Schwimmbad spiegelten die einstige Bedeutung des SEZ für die gestalterische Planung in der Stadt wider.

Doch nicht nur aus denkmalpflegerischen Gründen sprechen sich die Unterzeichner*innen für einen Erhalt und die Transformation des Gebäudekomplexes aus: Trotz Vernachlässigung befinde sich das SEZ in einem weitgehend intakten Zustand. Ein Abriss sei »weder ökologisch noch ökonomisch vertretbar«. Für viele Berliner*innen wirke der Bau zudem identitätsstiftend. »Die Diskussionen und Proteste um den drohenden Abriss des SEZ zeigen, dass die Abrisse identitätsstiftender Bauten der DDR – allen voran der Palast der Republik[2] – bis heute Wunden hinterlassen haben«, mahnen die Expert*innen.

Adressiert ist der Brief an Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sowie an Bausenator Christian Gaebler (SPD). Sie werden aufgefordert, umgehende Sicherungsmaßnahmen für das SEZ einzuleiten und eine offene, transparente Diskussion zu ermöglichen. Erst vor Kurzem hat sich das Landesdenkmalamt erneut gegen eine Aufnahme des Baus in die Berliner Denkmalliste entschieden.

»Wir prüfen rechtliche Schritte, um eine zügige Fortsetzung der Arbeiten sicherzustellen.«

Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte

Neben der Architektenkammer Berlin und Architects for Future unterstützen auch die Technische Universität Berlin sowie der Bund deutscher Architektinnen und Architekten den offenen Brief. Die unterzeichnenden Wissenschaftler*innen melden sich aus allen Ecken der Bundesrepublik und sogar aus dem Ausland: Aus Cottbus und Aachen, Bremen und München, aber auch aus Bern und Salzburg kommen die kritischen Stimmen.

Der Berliner Bürgerinitiative, die sich gegen den Abriss stark macht, gibt das Rückenwind. »Der Brief freut uns total«, sagt Susanne Lorenz von »SEZ für alle« zu »nd«. Dem Senat müsse endlich klar werden, wie viel der DDR-Bau den Menschen bedeute und welche historische Rolle er spiele. »Das SEZ ist einfach eine Ikone der Ostmoderne[3].«

Vergangene Woche hatten unangekündigte Abrissarbeiten durch die zuständige Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM) am SEZ für Aufregung gesorgt. Hierbei wurden Teile des Außenbeckens und auch eine Fassade am Gebäude der früheren Eisbahn abgerissen. »Hätten sich die Anwohner nicht bei uns gemeldet, hätten wir das bei dem ganzen Lärm an der Landsberger Allee gar nicht mitgekriegt«, sagt Lorenz. »Jetzt haben wir viele wachsame Augen vor Ort.«

Am Freitag verhängte die Bezirksverwaltung Friedrichshain-Kreuzberg eine kurzfristige Abrisssperre. Seiner Bauaufsicht zufolge liege keine Abrissgenehmigung vor, teilte der Bezirk als Begründung mit. Bis dies der Fall sei, dürften lediglich Reparaturarbeiten, Bau- und Verkehrssicherungsmaßnahmen durchgeführt werden.

»Es ist bedauerlich, dass die WBM im Auftrag des Senats nun Maßnahmen ergreift, die anscheinend der Auftakt zum Abriss sind«, teilte Bezirksstadtrat Florian Schmidt (Grüne) mit. »Ich appelliere an Senat und Berliner Abgeordnetenhaus, ein Abrissmoratorium auszusprechen.« Das weitere Vorgehen am SEZ müsse von der zukünftigen Landesregierung geklärt werden.

Die WBM hingegen spricht nach wie vor von Maßnahmen, für die keine Abrissgenehmigung notwendig sei – und beabsichtigt offenbar, vor Gericht zu ziehen. »Wir prüfen rechtliche Schritte, um eine zügige Fortsetzung der Arbeiten[4] sicherzustellen«, teilt die Wohnungsbaugesellschaft »nd« mit. Auch die Senatsbauverwaltung weist Einwände zurück: »Es gibt seit sieben Jahren einen durch das Abgeordnetenhaus Berlin beschlossenen, rechtswirksamen Bebauungsplan, der den Bau einer Schule und von über 500 dringend benötigten bezahlbaren Wohnungen vorsieht.« Die Planungen seien seit Langem bekannt und mehrfach öffentlich kommuniziert worden.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194939.ddr-architektur-sez-in-berlin-wie-ein-konservierter-schmetterling.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194290.jahre-einheit-volkes-wille-wurde-missachtet.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191489.tchoban-galerie-ddr-architektur-visionaer-utopisch-real.html
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195800.ddr-kulturgut-sez-abriss-in-berlin-am-spassbad-wirdrs-ernst.html