nd-aktuell.de / 01.12.2025 / Sport

Ein Hauch Anarchie schadete noch nie

Unser Kolumnist freut sich über den vereinten Protest gegen die geplanten Maßnahmen der Innenminister

Frank Willmann
Die Innenminister wollen Pyro-Choreografien wie beim Regionalliga-Spitzenspiel Erfurt gegen Jena am Wochenende grundsätzlich verbieten.
Die Innenminister wollen Pyro-Choreografien wie beim Regionalliga-Spitzenspiel Erfurt gegen Jena am Wochenende grundsätzlich verbieten.

Am Wochenende protestierten die deutschen Fanszenen mittels zwölfminütigem Stimmungsboykott in ihren Heimstadien gegen die geplanten Schweinigeleien[1] der Innenminister, die mit diversen fragwürdigen Maßnahmen gegen die aus Sicht des Schutzmanns lebensbedrohlichen Vorgänge in den Stadien vorzugehen gedenken. Besonders das von eventuell bösartigen Aliens auf die Welt gebrachte Thema Pyrotechnik versetzt die argwöhnische Schar der Anzugträger in schiere Aufruhr.

Die Fans reagierten auf ihre Weise und setzten die Stadien der BRD friedlich in Brand. Das ist selbstverständlich symbolisch gemeint, liebe Jammerhasen, die ihr noch nie ein Stadion besucht habt, aber trotzdem zu allem eine entbehrliche Meinung habt, man gönnt sich ja sonst nichts. Ja, es wurde gezündet, was die gute alte Feuerküche hergab. In einigen Stadien senkte sich der ansehnlichste Nebel[2] minutenlang und verzögerte das Spiel beträchtlich. War das nötig? Ja.

Die Mehrzahl der Zuschauenden, fast alle Vereinsmeier und auch die Spieler solidarisierten sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten und zeigten den Bütteln den linken Zeigefinger. Der überirdische Mut der heldenhaften Fans wird beim Deutschen Fußball-Bund[3] und in den muffigen Amtsstuben angekommen sein. Fußball ohne Pyro ist menschenunwürdig, dass es unseren Müttern die Schamröte ins Gesicht treibt. Es ist Zeit für hohe Gefühle, bekleckert euch mit Bier und holt eure Tempotaschentücher raus. Oder wollt ihr die Rotzmonotoniestimmung englischer Stadien, wo jeder Widerspruchsgeist, jeder wilde Gesang von Feinden der Freiheit behindert wird?

Sogar die Blautannen beginnen zu tanzen, und die schlanken Erlen erheben sich, wollt ihr Rockenroller sein oder habt ihr Helene Fischer als Arschgeweih? Um mal den großen Eintracht-Fan Johann Wolfgang von zu deklamieren: Ein Hauch Anarchie schadete noch nie. Hier (er meint im Stadion) bin ich Mensch, hier darf ich’s sein. Lokale Tyrannen mit blutunterlaufenen Augen, Monopolisten bar jedes leidenschaftlichen Kerns, besitzhabende Personen mit senfgelben Haaren, die an den Schläfen eng anliegen, stellt euch schön ins zweite Glied der Warteschlange zum Planeten Fuck – wo Hopp & Hoeneß bereits warten, um mit euch im Atomvulkan Golkonda zu verschwinden.

Innenminister und ihre Handlanger staatlicher Unterdrückung sind auch nur Menschen und machen bloß ihren Job ist pure Bullenshit-Propaganda[4]. Ihre routinemäßigen Verletzungen der Menschenrechte, die sie Woche für Woche in den Stadien begehen, die im irren Gegensatz zum kleinen Becherwurf des unbekannten Fans niemals vor den Kadi kommen, füllen Bände und sind fester Bestandteil dessen, was Fans Woche für Woche von ihrer Polizei erwarten. Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten! Ach so. Bleibt aufmerksam und entspannt und schaltet den Fernseher aus, wenn Jesuswerbung ertönt oder unser aktueller Bundeskanzler[5] die Worte »Ich liebe doch alle, alle Menschen« zitiert.

Egal ob also insgesamt die Nacht den Tag überfällt oder umgekehrt: Lasst euch nicht ficken, Fußballfans sind keine Verbrecher!

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195811.innenministerkonferenz-fussball-stadionverbote-statt-dialog.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192900.fussball-slawisches-epos-und-eine-bosnische-pyroshow-in-bratislava.html?sstr=pyrotechnik
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195492.fussball-dfb-will-mit-em-der-frauen-neue-massstaebe-setzen.html?sstr=DFB
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195741.journalistische-sorgfalt-die-polizei-luegt.html?sstr=innenminister
  5. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195874.rechte-politik-scheinloesung-fuer-ein-scheinproblem-merz-und-sein-stadtbild.html?sstr=merz