nd-aktuell.de / 02.12.2025 / Berlin

Theater Ost in Berlin-Adlershof will bleiben

Theater in früherem DDR-Fernsehstudio wehrt sich gegen Mietvertragskündigung

Maria Neuhauss
1952 als Fernsehtheater erbaut, ist das einstige »Studio 5« inzwischen sehr marode.
1952 als Fernsehtheater erbaut, ist das einstige »Studio 5« inzwischen sehr marode.

In Adlershof spielt sich aktuell die deutsche Wiedervereinigung von Neuem ab. Zumindest, wenn man den Worten Kathrin Schüleins[1] folgt. Schülein ist Leiterin des Theaters Ost, eines seit 2015 bestehenden Kulturortes in Treptow-Köpenick. Das Besondere: Das Theater befindet sich in den historischen Räumlichkeiten eines ehemaligen Fernsehstudios der DDR[2]. Von hier wurde bis 1991 wöchentlich die »Aktuelle Kamera« ausgestrahlt. Das Theater möchte an diese Vergangenheit anknüpfen, doch steht sein Verbleib aktuell auf der Kippe: Der Inhaber hat den Mietvertrag gekündigt und droht nun mit der Räumung.

Für Schülein ist klar: Hier geht es auch um Ost und West. »Stefan Klinkenberg weist nur unternehmerische Absichten auf, und wir kämpfen um ein Stück Geschichte«, sagt sie zu »nd«. Nicht nur waren manche der 36 Ehrenamtlichen des Theaters Ost früher bereits im Fernsehstudio tätig. Auch im Programm[3] spiegelt sich das DDR-Erbe wider: Darin finden sich Inszenierungen russischer Autor*innen oder Filmvorführungen wie über den DDR-Profischwimmer Axel Mitbauer, der 1969 über die Ostsee die Flucht antrat.

2020 ging das Gebäude an der Moritz-Seeler-Straße über einen Erbbaupachtvertrag an Klinkenberg. Zwar stammt der Architekt und Projektentwickler gebürtig aus Köln und damit aus dem Westen, doch will das Stereotyp eines profitversessenen Wessis nicht so ganz zu ihm passen. Er sieht sich als »Sozialunternehmer«, der unter Beteiligung von Bürger*innen Projekte umsetzt, etwa das Rathaus Friedrichshagen[4] oder die Brauerei Königstadt[5] in Prenzlauer Berg.

Grundstückseigentümer des ehemaligen »Studios 5«, in dem das Theater Ost seinen Sitz hat, ist seit der Wende das Land Berlin. In dem Erbpachtvertrag verpflichtet sich Klinkenberg zu einer Sanierung der baufälligen Immobilie. Zudem soll das Theater Ost nach der Instandsetzung ein Vorrecht auf die Weiternutzung bekommen. Schülein war zunächst begeistert: »Wir dachten, wir seien gerettet. Ein kulturaffiner Investor, der sogar Architekt ist!«

Von der ursprünglichen Begeisterung ist inzwischen nichts mehr geblieben – die Fronten sind verhärtet. Während Schülein Klinkenberg nicht mehr als Vermieter haben möchte, wäre er sie und ihr Theater inzwischen auch gerne los. Streitpunkt sind vor allem die hohen Betriebskosten, die anstehende Sanierung sowie ein von Klinkenberg geplanter Neubau hinter dem Gebäude.

»Wir wünschen uns vom Land, dass es das Haus in unsere Hände gibt.«

Kathrin Schülein Leiterin Theater Ost

Als Klinkenberg das »Studio 5« übernahm, nutzte das Theater Ost lediglich den vorderen Teil des Gebäudes. Im Zuge der Corona-Pandemie erlaubte das Land dem Theater, zusätzlich den großen Saal zu nutzen. Als 2022 die Energiekosten in die Höhe schossen, waren plötzlich Zehntausende Euro an Heizkosten offen. Schülein sammelte Spenden, um den Betrag zu decken.

Im Gespräch mit »nd« sagt Klinkenberg, dass die Rechnung für ihn trotzdem nicht aufgehe. Er will, dass sich Schülein stärker finanziell beteiligt. Sie wiederum sieht ihn als mitverantwortlich für die hohen Kosten, da er sich kostensenkenden Baumaßnahmen verweigere. Ohnehin kümmere er sich nicht um das Objekt: »Das Haus ist sehr marode. Es müssen ständig Reparaturen am Dach, an der Heizung und so weiter vorgenommen werden«, beschwert sich Schülein.

Klinkenberg gibt derweil an, das Gebäude vollständig sanieren zu wollen. Tatsächlich läuft ihm langsam die Zeit davon. Laut Erbpachtvertrag müssen die Bauarbeiten bis Februar 2028 abgeschlossen sein – ein ehrgeiziger Plan. »Eigentlich müsste ich übermorgen mit der Sanierung beginnen«, sagt Klinkenberg. Einen laufenden Theaterbetrieb hält er aufgrund von Auflagen und des Umfangs der Maßnahmen für nicht mit der Sanierung vereinbar. Schülein ist anderer Meinung.

Um eine Finanzierung für die Sanierung aufzutreiben, ist nach Aussage von Klinkenberg zudem ein Neubau hinter dem Theater notwendig. Nur dieser könne langfristig die Wirtschaftlichkeit des Komplexes garantieren. Klinkenberg würde gerne eine Obdachlosenunterkunft errichten, womit er bereits Erfahrung gesammelt hat. Für Schülein ist dies keine geeignete Perspektive.

Als zuletzt die Nutzungsgenehmigung der Bauaufsicht für das Gebäude auslief, kam es zum Bruch zwischen den Parteien. Beide schieben sich gegenseitig die Schuld dafür zu. Klinkenberg kündigte zum Januar 2025 fristlos das Mietverhältnis und leitete eine Räumungsklage ein. Schüleins Anwalt erhob Widerspruch, das Urteil steht noch aus. Derweil läuft der Theaterbetrieb weiter – laut Klinkenberg keine tragbare Situation: »Ich halte das für einen Hochrisikofall«, auch aufgrund ungenügender Umsetzung des Brandschutzes.

Schülein fordert vom Land Berlin, dass es den Erbpachtvertrag mit Klinkenberg rückabwickelt. »Wir wünschen uns vom Land, dass es das Haus in unsere Hände gibt und uns finanziell bei der Sanierung begleitet.« Neue Hoffnung schöpft sie aus einer Kooperation mit der »Berliner Zeitung«. Anfang November hatte deren Verleger Holger Friedrich auf einer Konferenz zur Rettung des Theaters Ost seine Unterstützung zugesagt. Schülein sieht das Theater Ost als zukünftiges Medienzentrum der Zeitung und träumt davon, die Fernsehtradition des Gebäudes wieder aufleben zu lassen.

Geht es nach ihr, sollte der historische Ort dafür genutzt werden, von der DDR und Ostdeutschland nach der Wende zu erzählen. »Die Geschichte verschwindet, es bleibt nur noch der Mauerfall«, sagt sie. Ihr zufolge setzt der aktuelle Konflikt das Unrecht der Wiedervereinigung[6] fort: »Das ist ein Gebäude, das die DDR-Bürger gebaut haben, es war Volkseigentum[7]. Nach der Wende ist es an das Land Berlin gegangen. Jetzt müssen wir uns als geborene DDR-Bürger dafür rechtfertigen, darin unser Kulturerbe schützen zu wollen.«

Klinkenberg wiederum sieht das Problem bei Schülein: Ihr fehle es an einem tragfähigen Konzept für den nachhaltigen wirtschaftlichen Betrieb des Theaters. Er wünscht sich eine Rückkehr an den Verhandlungstisch. Solange Schülein ihn quasi als als Wiedergänger der Treuhand betrachte, seien Gespräche allerdings schwierig. Am 13. Dezember ist die Räumungsklage Thema vor Gericht. Das Schicksal der DDR-Fernsehstätte bleibt weiterhin offen.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1152269.initiative-kultur-ins-grundgesetz-elementarer-als-arithmetik.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195317.geschichte-gespaltene-ddr-erinnerung.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1164141.anna-seghers-das-verlockende-an-der-sache-ist-nicht-adlershof.html
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1025940.umbauarbeiten-an-rathaus-friedrichshagen.html
  5. https://www.nd-aktuell.de/artikel/148058.der-krise-gemeinsam-trotzen.html
  6. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195304.einheitsgedenken-jahre-mauerfall-ein-denknach-in-berlin-pankow.html
  7. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195882.ostmoderne-sez-abriss-in-berlin-das-ringen-geht-weiter.html