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  • Brandenburger Landtag

Der rote Winkel ist kein rotes Dreieck

BSW-Landtagsabgeordneter erhoffte vergeblich Weisung des Justizministers zu antifaschistischem Symbol

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Flagge der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes weht auf dem Altmarkt von Cottbus.
Eine Flagge der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes weht auf dem Altmarkt von Cottbus.

Politische KZ-Häftlinge wurden von der SS mit einem roten Winkel gekennzeichnet, jüdische Häftlinge mit einem Davidstern. Waren Widerstandskämpfer jüdischer Herkunft, so konnten sie einen Davidstern aus zwei ineinander gelegten Winkeln erhalten, bei dem einer rot war. Das hat es in den Konzentrationslagern gegeben. Mit dem Wissen, dass zum Teil auch Juden mit roten Winkeln versehen waren, erscheint es noch absurder, dass die deutsche Justiz gegenwärtig Menschen strafrechtlich verfolgt, die den roten Winkel als antifaschistisches Symbol verwendet haben wollen. Ihnen wird vorgeworfen, sie hätten damit die im November 2023 vom Bundesinnenministerium verbotene palästinensische Hamas unterstützt. Untersagt sind mit dem Verbot auch deren Symbole, inbegriffen die roten Dreiecke, die von der Hamas genutzt werden, um in Videos ihre Feinde zu markieren.

Das »nd« berichtete vor sechs Monaten und noch einmal vor einem Monat über den Fall von Bernd Trete aus Potsdam. Dieser hat auf der Internetplattform X ein Foto mit einem roten Keil hochgeladen und auch an seinen Namen zwei rote Winkel gesetzt. Trete beteuert: »Ein Symbol der Hamas habe ich nicht verwendet!« Dennoch soll ihm am 3. Februar 2026 am Amtsgericht Potsdam der Prozess gemacht werden.

Der Landtagsabgeordnete Sven Hornauf (BSW) kennt aus seiner Rechtsanwaltstätigkeit noch andere Fälle aus Brandenburg. Hornauf sagt, es handele sich dabei immer um antifaschistische Kontexte und an dem Hamas-Vorwurf sei nichts dran. Der Abgeordnete hat bei der Landesregierung nachgefragt und nun Antworten von Justizminister Benjamin Grimm (SPD) erhalten. Demnach ist das rote Dreieck nicht grundsätzlich strafbar. Sofern es aber im konkreten Einzelfall als Kennzeichen der Hamas benutzt werde, komme eine Strafbarkeit wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Betracht, steht in den schriftlichen Antworten, die dem »nd« vorliegen. Das müsse im Einzelfall geprüft werden. Die Staatsanwaltschaft sei verpflichtet, jede Strafanzeige auf das Vorliegen eines Anfangsverdachts zu prüfen. Den Staatsanwälten per Weisung zu untersagen, dass sie rote Dreiecke, insbesondere im Kontext antifaschistischer Betätigung, nicht verfolgen, dazu sieht der Justizminister keine Veranlassung.

Politiker Hornauf ist von diesen Auskünften enttäuscht. Er klassifiziert sie als »durchschaubaren wie untauglichen Versuch, sich als unbeteiligten Dritten darzustellen, an dem die Vorgänge einfach nur vorbeigehen«.

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes VVN-BdA benutzt den roten Winkel der politischen KZ-Häftlinge bereits seit 1947 als ihr Symbol. Auf ihren Fahnen ist der Winkel auf einem blau-weiß gestreiften Hintergrund zu sehen. Für Hornauf ist es ein Skandal, dass die VVN-BdA durch gezielte Verunsicherung der Protagonisten und der Öffentlichkeit angegriffen werde, statt sie zu schützen.

»Es verstetigt sich der Eindruck, dass die zuletzt aufgetretene Praxis der Verfolgungsbehörden, das ›rote Dreieck‹ allgemein zum Gegenstand der Strafverfolgung zu erheben, mindestens stillschweigend geduldet und damit im Ergebnis bewusst in Kauf benommen wird«, urteilt Hornauf. »Als Fazit kann man zunächst nur den Betroffenen Unterstützung zukommen lassen und hoffen, dass zumindest die damit befassten Gerichte in eine ernsthafte Befassung und Prüfung einsteigen.«

»Die Strafverfolgung verbotener Kennzeichen ist wichtig und notwendig«, meint Brandenburgs Antisemitismusbeauftragter Andreas Büttner. Wenn ein Symbol eindeutig mit Bezug zu einer verbotenen Organisation genutzt werde, müssten Ermittlungsbehörden handeln. Doch das historische VVN-Dreieck sei kein Hamas-Symbol. Es stehe für Opfer des Naziregimes und für antifaschistischen Widerstand. »Wenn es bei einem Symbol wie dem VVN-Dreieck keinerlei Bezug zu Hamas, Terror oder Gewalt gibt, sehe ich weder strafrechtlich noch politisch irgendeinen Anlass, hier Ermittlungen einzuleiten«, erklärt Büttner. Als Antisemitismusbeauftragtem ist ihm wichtig, zu sagen: »Wir müssen unsere Ressourcen auf echte antisemitische Bedrohungen richten – und nicht auf historische Opferkennzeichen, die seit Jahrzehnten für Mahnung und Erinnerung stehen.«

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