Berlin. »Schützt Unternehmen statt Betroffene«, so lautet das Urteil des Menschenrechtsinstituts sowie von Selbstvertretungsorganisationen zum Entwurf des neuen Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG). Das derzeit gültige BBG trat 2002 in Kraft und verpflichtet öffentliche Stellen, Angebote und Gebäude barrierefrei zu gestalten. So sollen alle Menschen gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und Betroffene Diskriminierung leichter anfechten können. Durch die Überarbeitung des BBGs soll das künftig auch für private Anbieter von Dienstleistungen und Gütern gelten. Ein Gesetz zur Stärkung digitaler Barrierefreiheit bei Privatunternehmen trat im Sommer in Kraft und steht unter Beobachtung. [1]
Durch den Entwurf des BBGs werde die Privatwirtschaft jedenfalls nicht per se zu Barrierefreiheit verpflichtet, erklärt Leander Palleit, Ko-Leiter der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Nur auf Anfrage und im Einzelfall müssten Maßnahmen ergriffen werden. »Das Benachteiligungsverbot wird damit in der Privatwirtschaft nahezu wirkungslos, und das geplante Gesetz bringt kaum Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger«.
Ein »miserabler Referentenentwurf« schütze »die Diskriminierer besser als die Diskriminierten«, kritisiert auch Sigrid Arnade, Sprecherin der Liga Selbstvertretung. Das ist ein Zusammenschluss bundesweit tätiger Selbstvertretungsorganisationen von Menschen mit Behinderungen. Arnade sieht weitere Inklusionspläne der Bundesregierung skeptisch, wie den »Trend zurück zu Sondereinrichtungen wie Förderschulen, Wohneinrichtungen und Werkstätten für behinderte Menschen«.
Eine Anspielung auf die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Absicht, die Förderung jener Institutionen wieder zu stärken. Werkstätten sollen den Übergang in den regulären Arbeitsmarkt erleichtern. Der Wechsel gelingt weniger als einem Prozent der dort beschäftigten Personen. Menschen mit Behinderungen sind trotz guter Qualifikationen länger arbeitslos als Menschen ohne Behinderung. Zum Jahresende 2023 lebten in Deutschland rund 7,9 Millionen Menschen mit schwerer Behinderung.