- Kultur
- Harald Martenstein bei »Bild«
Franz-Josef heißt jetzt Harald
Harald Martenstein übernimmt in Nachfolge von Franz Josef Wagner die tägliche »Bild«-Kurzkolumne
Es gibt Medienformate, die eigentlich nicht kopierbar sind. »Post von Wagner« war so eins – die jeden Tag erscheinende Kurzkolumne von Franz Josef Wagner, unnachahmlich in ihrem nicht seltenen schmierigen Pathos, dem in den letzten Jahren eine Art Altersweisheit angedichtet wurde. Dennoch oder vielleicht gerade deshalb viel gelesen; vielleicht aber auch nur, weil man schnell damit durch war.
Wagner starb Anfang Oktober mit 82 Jahren; »Bild« aber will die Kolumne nicht mit in den Orkus schicken. Fündig wurde das Blatt beim zehn Jahre jüngeren Harald Martenstein, der ab Februar im Dienste des Springer-Konzerns die wochentägliche »Mail von Martenstein« verschicken wird. Der aus Mainz stammende Autor ist einer der namhaftesten Kolumnisten Deutschlands, der keine Kontroverse scheut, sie regelrecht sucht. In der Pose des alten weißen Mannes, die er bei Bedarf auch ironisiert, mokiert er sich mehr oder weniger subtil über alles, was sich politisch nach seiner Spätpubertät weiterentwickelt hat – Feminismus, Klimabewegung, Gendern usw. Gern lässt er das Publikum dabei an seinem Altern teilhaben. Viele Jahre schrieb er für den »Tagesspiegel«, mit wachsendem Verständnis etwa für Querdenker. Eine dieser Kolumnen löschte der »Tagesspiegel« 2022 wieder von seiner Webseite, deshalb zog Martenstein dort ganz unlustig einen Schlussstrich. Seine Kolumne in der »Zeit«, die wie der »Tagesspiegel« im Holtzbrink-Verlag erscheint, behielt er.
Wenig später heuerte ihn die »Welt am Sonntag« an, wo er seine Bedenkenträgerei in einem passenden redaktionellen Umfeld ausbreiten kann. Der mehrfach preisgekrönte Martenstein, der auch als Romanautor reüssierte, vollzieht mit der »Bild«-Kolumne nun einen weiteren, vielleicht den finalen Schritt in einer für alternde mitteilungsbedürftige Männer nicht untypischen Entwicklung von links unten nach rechts oben: mit 20 Kommunist (DKP), mit 40 liberal, mit 70 Fanboy für Rechtspopulisten. Allerdings wird sich der Mann, der gern viele Worte macht, in »Mail von Martenstein« sehr kurz fassen müssen. Eine Herausforderung für einen Autor, den ein Kritiker mal als »Franz Josef Wagner für Bildungsbürger« bezeichnete.
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