nd-aktuell.de / 02.12.2025 / Sport

Frankreichs Biathletinnen nutzen ihre Skandale als Treibstoff

Die französischen Skijägerinnen eilen zum Start der Saison von Erfolg zu Erfolg – und von Eklat zu Eklat

Lars Becker
Gerüchten zufolge soll eine französische Teamkollegin im vergangenen Winter das Gewehr von Océane Michelon manipuliert haben.
Gerüchten zufolge soll eine französische Teamkollegin im vergangenen Winter das Gewehr von Océane Michelon manipuliert haben.

Das ZDF strahlt in diesen Tagen auf seinen Kanälen die fünfteilige Doku-Serie »Biathlon Nation – Ein Team. Eine Mission« aus. Gezeigt werden sollen »spektakuläre Einblicke« aus dem Innenleben der deutschen Skijäger. Tatsächlich ist die Kamera dabei, wenn Franziska Preuß ihre Zweifel[1] auf dem Weg zum WM-Titel und Gesamtweltcup-Triumph[2] beichtet. Oder als Justus Strelow in der Teamsitzung über seine Nicht-Berücksichtigung für die deutsche WM-Staffel im schweizerischen Lenzerheide schimpft. »Kacke« sei das, sagt der Meisterschütze.

Das ist aber auch schon das »Skandalöseste«, was in den Filmen enthüllt wird. Wesentlich spannender wäre eine Dokumentation über das französische Biathlon-Team[3], in dem die Frauen aktuell von einem Skandal zum nächsten eilen. Da war zuerst die Kreditkarten-Affäre um Julia Simon. Die zehnmalige Weltmeisterin wurde im Oktober von einem Strafgericht in Albertville zu einer dreimonatigen Haftstrafe auf Bewährung plus 15 000 Euro Geldstrafe verurteilt.

Eine Weltmeisterin klaut Kreditkarten-Daten

Simon hatte die Kreditkarten-Daten ihrer Teamkollegin Justine Braisaz-Bouchet sowie von einer Physiotherapeutin gestohlen und damit mehrfach im Internet eingekauft. Bekannter Schaden: Rund 2500 Euro. Auch weitere Teammitglieder wurden von Simon betrogen, stellten aber keine Anzeige. Inzwischen hat sich die 29-Jährige entschuldigt und alles gestanden, nachdem sie ihren Betrug zuvor über zwei Jahre vehement geleugnet hatte.

Auch von ihrem französischen Ski-Verband FFS wurde Simon mit einer Geldstrafe von 30 000 Euro belegt, wobei 15 000 Euro zur Bewährung ausgesetzt sind. Dazu gab es eine eher symbolisch anmutende Wettkampfsperre von sechs Monaten, von denen fünf ebenfalls auf Bewährung ausgesetzt wurden. Der Welt-Biathlonverband IBU bewertete die Sanktionen in diesen Tagen als »angemessen«. Weitere Strafen wurden nicht ausgesprochen.

Gerüchte um ein manipuliertes Gewehr

Ob das die richtige Reaktion ist? Ein weiterer unglaublicher Vorfall legt nahe, dass dies nicht der Fall ist und sogar Leib und Leben durch die Unstimmigkeiten im französischen Team in Gefahr sein könnten. Laut Medienberichten soll Jeanne Richard dabei beobachtet worden sein, wie sie das Gewehr ihrer Teamkollegin Océane Michelon manipuliert hat. Passiert sein soll der Vorfall im slowenischen Pokljuka, als Michelon und Richard zum Ende des vergangenen Weltcup-Winters um das Trikot der besten U23-Athletin[4] kämpften. Angeblich habe Teamkollegin Justine Braisaz-Bouchet den Vorfall sogar beobachtet, schrieb das Portal »Dicodusport«.

Beim laufenden Weltcup in Östersund wollten beide die unglaublich anmutende Geschichte in Interviews nicht bestätigen. »Ich kenne die Geschichte, habe davon gehört. Das verletzt mich sehr. Aber ich habe meine eigene Meinung, die ich für mich behalte«, sagte Richard. Auch Michelon hielt sich bedeckt: »Wir hören eine Menge Geschichten über unser Team. Aber heute und auch in Zukunft ist es am wichtigsten, dass wir uns auf die Saison konzentrieren.«

Eine unterkühlte Siegerehrung

Der französische Skiverband hatte im November einen Verstoß gegen die internen Regeln vermeldet, der im Sommer zu einer Suspendierung geführt habe. Ob es dabei um ein manipuliertes Gewehr ging, wurde nicht bestätigt: »Im Gegensatz zu gewissen Gerüchten wurde kein Fehlverhalten zwischen zwei Athletinnen des französischen Biathlon-Teams festgestellt.« Aber wenn es nichts zu verbergen gibt, warum drohten französische Funktionäre dann beim Weltcup-Auftakt in Schweden TV-Stationen wie der ARD eine Interview-Sperre bei kritischen Fragen an?

Erst nach einem regelrechten Aufruhr der Journalisten mussten die französischen Athletinnen nach Intervention der IBU auch Fragen zu den Vorfällen in ihrem Team beantworten. Aufklärung brachte das nicht, eher noch mehr Fragezeichen. Umso genauer wurden Richard und Michelon nach dem gemeinsam errungenen Erfolg mit dem Staffel-Quartett beobachtet. Sie standen nebeneinander, aber der gefühlte Abstand zwischen beiden schien riesig.

Keine Auswirkungen auf den sportlichen Erfolg

Rein sportlich haben die Querelen dem französischen Biathlon-Team bisher jedoch nicht geschadet. In den vier Auftakt-Teamwettkämpfen im Weltcup am vergangenen Wochenende standen sie viermal auf dem Podest. Besonders herausragend: die Streit-Frauen mit zwei Siegen, neben der Staffel auch in der Mixed-Staffel mit Braisaz-Bouchet und Lou Jeanmonnot.

Von einem solchen Ergebnis waren die weitaus weniger skandalösen deutschen Biathleten meilenweit entfernt. Beim Auftakt in den Olympia-Winter[5] gelang bei vier Versuchen am Wochenende kein einziger Podestplatz. »Kacke« würde Justus Strelow dieses Ergebnis vermutlich nennen. Im französischen Team scheinen die Skandale dagegen der Treibstoff für immer neue Erfolge zu sein. »In anderen Sportarten hätte es bei solchen Fällen einen Zusammenbruch gegeben. Trotz der Schwierigkeiten ist es den Frauen aber gelungen, professionell und menschlich zu bleiben«, erklärte die französische Biathlon-Legende Martin Fourcade dazu. Zu verdanken sei das vor allem dem Trainerteam um Chef Cyril Burdet.

Der könnte beim nächsten Weltcup im österreichischen Hochfilzen dann auch wieder auf die verurteilte Kreditkarten-Betrügerin Julia Simon zurückgreifen – ihre Wettkampfsperre ist dann abgelaufen.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189282.biathlon-bauchweh-und-klebeski-preuss-im-massenstartrennen-ohne-medaille.html?sstr=biathlon
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189986.gesamtweltcup-biathletin-franziska-preuss-eine-koenigin-mit-herz.html?sstr=biathlon
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188152.biathlon-norwegens-dominanz-gefordert-frankreich-mischt-den-weltcup-auf.html?sstr=biathlon
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188094.biathlon-die-naechste-goldene-generation-der-deutschen-biathletinnen.html?sstr=biathlon
  5. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195846.nordische-kombination-sturmsaison-fuer-die-nordische-kombination.html?sstr=olympia winter