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Fussball: Vereint gegen die Sicherheitsfanatiker
Fans und Vereine protestieren gemeinsam gegen die geplante Sicherheitsverschärfung im Fußballstadion
Selten haben Pressemitteilungen eine solch hübsche Überschrift, wie sie »Unsere Kurve« am Montag einfiel. Unter dem Titel »Ich sehe was, was du nicht siehst« erneuerte die Fan-Organisation ihre Sicht der Dinge auf den Sicherheitsgipfel der Landesinnenminister, der an diesem Mittwoch in Bremen beginnt. Denn der hat ihres Erachtens einen Gegenstand, den nur die Politiker als solchen erkennen: gewalttätige Auseinandersetzungen im Stadion. Dass die ein niedriges Niveau hätten und zuletzt erneut zurückgegangen seien, habe gerade eine auf Polizeiangaben beruhende Statistik bewiesen. »Glaubt man jedoch den Innenminister*innen der Länder, gibt es in den Stadien mehr Probleme als alles andere«, spotten die Fan-Vertreter. »Die Politik verallgemeinert, weil die Expertise fehlt.«
Das stimmt fraglos häufig, wenngleich sowohl Fan- als auch Vereinsvertreter in der Debatte geflissentlich übergehen, dass es ja durchaus eine erschreckende Gewalt im Fußballkontext gibt. Nur eben bei verabredeten Schlägereien und Zugüberfällen, die meist fernab der Spieltage stattfinden. Gegen die hilft allerdings keine einzige der Maßnahmen, die die Politik gerade diskutiert.
Offene Gespräche zwischen Ultras und Vereinen
Bemerkenswert ist allerdings auch, wie deutlich viele Vereine derzeit Partei ergreifen. Vor einer Woche dokumentierte eine Stellungnahme der fünf baden-württembergischen Profivereine VfB Stuttgart, FC Heidenheim, SC Freiburg, TSG Hoffenheim und Karlsruher SC erneut die ungewohnt große Einigkeit zwischen Fanszene und Klubs. Die fünf Südwest-Teams bitten darin um eine »Versachlichung der Debatte«, warnen vor »Stadionverboten mit der Gießkanne« und fordern »mehr Dialogbereitschaft«.
Dass die Gesprächskanäle zwischen aktiver Fanszene und Vereinen auf Klub-Ebene aktuell intakt sind, bestätigt auch Alexander Sperber von der »Nordkurve Nürnberg«, einem Zusammenschluss der aktiven Fanszene des Zweitligisten. »Wenn man sieht, wie verhärtet die Fronten noch vor eineinhalb Jahren waren, ist das fast schon paradox«, sagt er unter Anspielung auf den damals auch aufgrund der Fan-Proteste gescheiterten DFL-Investoren-Einstieg. »Wir sind sehr zufrieden, dass sich viele Vereine so klar positioniert haben.«
Vereine fürchten sich vor den Einsatzkosten
Dabei sind die Motive durchaus unterschiedlich. Vereinsvertreter wie Niels Rossow betonen, wie »verschwindend gering« die Verletztenzahlen im Liga-Alltag seien: »650 000 Menschen kommen jedes Jahr zu unseren Spielen, das ist mehr als Nürnberg Einwohner hat«, sagt der Nürnberger Geschäftsführer. »Da gibt es in anderen gesellschaftlichen Bereichen ganz andere Zahlen.«
Das stimmt. Und dennoch geht es den Liga-Vertretern bei ihrer Argumentation auch darum, eine Debatte im Keim zu ersticken, mit der zuletzt auch Sachsens CDU-Innenminister Armin Schuster gedroht hatte: Die, ob die hohen Kosten für Polizeieinsätze nicht künftig auf die Klubs abgewälzt werden sollen. Zumal, wie Niedersachsens SPD-Innenministerin Daniela Behrens argumentiert, die Anzahl der Stadionverbote zuletzt bundesweit gesunken sei – eine unverhohlene Unterstellung, dass die Klubs vor Ort zu gnädig mit ihrer gewaltaffinen Klientel seien.
Der Fußball als Profilierungsobjekt
FCN-Vertreter Rossow findet hingegen, dass sich die bisherige Praxis bewährt habe, bei der unter anderem Verein, Polizei und Fan-Vertreter über jeden Einzelfall gesondert sprechen – so läuft es bislang bundesweit. Gekungelt werde dabei zumindest in Franken nicht, betont Rossow: »Das würde sicher auch die Nürnberger Polizei bestätigen. Wir haben hier sowohl mit ihr als auch mit der Fanszene eine exzellente Kooperation.« Das habe das Stadion nachweislich »noch sicherer« gemacht. »Wenn das kategorisch negiert wird, habe ich dafür kein Verständnis.«
Noch weniger Verständnis hätte man wohl, wenn Niedersachsens Innenministerin Behrens mit ihren Überlegungen durchkäme, bei Problemspielen künftig die Zahl der Gästetickets zu reduzieren. Auch das könnte ab Mittwoch Gesprächsthema in Bremen werden. Derweil hat Bayerns CSU-Innenminister Joachim Herrmann am Wochenende überraschend erklärt, die Einführung personalisierter Eintrittskarten sei vom Tisch. Dass sich in der gegenwärtigen Debatte in Behrens und Hamburgs Innenminister Andy Grote ausgerechnet zwei Menschen mit SPD-Parteibuch als Hardliner präsentieren, hält Fan-Vertreter Sperber für bemerkenswert. Schließlich werde die Partei derzeit als profillos empfunden. Die Sozialdemokratie sei allerdings nicht allein, wenn sie »den Fußball als Profilierungsobjekt entdeckt« habe.
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