Nach knapp zweiwöchiger Pause sind laut lokalen Medien am Montagabend erneut zwei Boote mit insgesamt 45 Migrant*innen auf den Balearen angekommen – eines südöstlich von Ibiza, ein weiteres an Mallorcas Südostküste. Diese Ankünfte setzen einen Trend fort, der 2025 zu einem neuen Höchststand führte: Offiziellen Angaben zufolge erreichten bis Anfang Dezember 367 Boote mit 6849 Migrant*innen die Inselgruppe – 2024 waren es 5882 Personen.
Die Route von der nordafrikanischen Küste zu den Balearen verzeichnet die stärksten Zuwächse aller Migrationswege in die Europäische Union. Sie ist angesichts ihrer Länge allerdings auch eine der gefährlichsten[1], die Zahl der Todesopfer bleibt hoch. Immer wieder werden Leichen an den Stränden der Balearen[2] angeschwemmt.
Die meisten Ankünfte verzeichnet der Osten der Inselgruppe, insbesondere Mallorca. Nach einer ersten Versorgung durch die spanische Guardia Civil übernimmt die Nationalpolizei die Registrierung von Personalien und Fingerabdrücken. Die meisten der Ankommenden bleiben maximal drei Tage auf den Inseln und nehmen dann die Fähre nach Barcelona. Von dort reisen viele weiter nach Frankreich oder Belgien – beantragen also offenbar in Spanien gar kein Asyl.
Um längere Aufenthalte im Hafenterminal zu vermeiden, wurden auf Formentera und Ibiza Notunterkünfte eingerichtet, auf Mallorca entstehen weitere. Auch Hotels in Hafennähe dienen als provisorische Unterkünfte. Eine Ausnahme bilden unbegleitete Minderjährige, die nicht weiterreisen dürfen und von den jeweiligen Inselverwaltungen betreut werden.
Die EU-Grenzagentur Frontex nennt als Gründe für die Zunahme der Abfahrten aus Algerien weniger strenge Kontrollen in dem Land und den Einsatz schnellerer Boote. Viele der Migrant*innen stammten selbst aus Algerien – und nicht wie bei Abfahrten aus anderen Ländern aus Subsahara-Staaten oder Eritrea. Als weiterer Faktor gelten diplomatische Spannungen: Seit Spanien seit 2022 die marokkanische Position im Westsahara-Konflikt unterstützt, nimmt Algerien angeblich weniger abzuschiebende Migrant*innen zurück.
Seit Februar arbeitet auch Frontex hinsichtlich der Balearen mit der Guardia Civil und der Seenotrettung zusammen. Eine offizielle Mission ist dies jedoch nicht; die EU-Grenzagentur hat auch kein Personal auf den Inseln stationiert. Die Unterstützung erfolgt deshalb im Rahmen anderer Frontex-Operationen im Mittelmeer.
Um das zu ändern, hat sich die balearische Ministerpräsidentin Marga Prohens im Oktober in Brüssel mit EU-Innenkommissar Magnus Brunner getroffen. Begleitet wurde sie von den Inselräten von Mallorca, Menorca und Ibiza. Brunner habe »viel Verständnis« gezeigt, berichtete die konservative Politikerin gegenüber Lokalmedien. Frontex sei »voll und ganz bereit«, mit Spanien als Gaststaat einer Mission rund um die Balearen aktiv zu werden.
Ohne einen entsprechenden Antrag der spanischen Zentralregierung unter dem Sozialisten Pedro Sánchez kann die EU-Kommission jedoch nicht handeln, und dieser steht weiterhin aus. Der Grund könnte in den grundsätzlichen Spannungen zwischen Madrid und Frontex in Warschau[3] liegen. Ein Streitpunkt ist seit einigen Jahren die Forderung der EU-Agentur nach mehr Einfluss bei Einsätzen in westafrikanischen Ländern oder vor deren Küsten, wo Spanien die Führungsrolle beansprucht – und weshalb Frontex ihren über zwei Jahrzehnte gehenden Atlantik-Einsatz auf den Kanaren 2019 beenden musste.
Prohens äußerte sich dennoch optimistisch: Das Gespräch mit Brunner habe die Forderung nach einem Frontex-Einsatz auf den Balearen verstärkt. Dazu liegt der Ball nun in Madrid.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195919.migration-balearen-fordern-frontex-einsatz.html