nd-aktuell.de / 03.12.2025 / Sport

Die DHB-Frauen haben eine Hand an der Euphorie­bremse

Trotz einer makellosen Bilanz beim Heimturnier bleiben die deutschen Hand­balle­rinnen zurückhaltend

Erik Eggers, Dortmund
Emily Vogel (3.v.l.) will nach vielen bitteren Erfahrungen mit dem DHB-Team endlich die erste Medaille seit 2007 holen.
Emily Vogel (3.v.l.) will nach vielen bitteren Erfahrungen mit dem DHB-Team endlich die erste Medaille seit 2007 holen.

Ein breites Lächeln, immerhin, das war gestattet. Selbstverständlich genoss Emily Vogel nach ihrem 143. Länderspiel für Deutschland die Atmosphäre nach dem gelungenen Auftakt in die Hauptrunde der Handball-Weltmeisterschaft[1]. »Ich kann mich nicht erinnern, dass wir mit so vielen deutlichen Siegen in das Turnier gestartet sind«, sagte die 27-Jährige am Dienstagabend in der Westfalenhalle in Dortmund. Da lag just ein souveräner 36:26-Sieg gegen die Färöer-Inseln hinter der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB).

Dieser Erfolg, der vierte in Serie in der deutschen WM-Kampagne[2], verschaffte dem Team von Bundestrainer Markus Gaugisch mit 6:0 Punkten eine hervorragende Ausgangsposition für die verbleibenden Hauptrundenpartien an diesem Donnerstag gegen Montenegro und am Samstag gegen Spanien: Ein Sieg gegen Montenegro wäre gleichbedeutend mit dem Gruppensieg – und würde dem Ko-Gastgeber einen mutmaßlich leichteren Gegner im Viertelfinale am kommenden Dienstag in Dortmund bescheren.

Der lange Schatten der vergangenen Turniere

Doch Vogel fand auch mahnende Worte. Hoffentlich seien noch »viele Spiele zu spielen«, sagte die Rechtshänderin, die ihr Geld bei Ferencváros Budapest verdient, und hatte dabei die vielen bitteren Erfahrungen[3] der letzten Großturniere im Kopf, bei denen ihr Team in den K.-o.-Spielen oft auch an den eigenen Nerven scheiterte. In Vogels Bilanz stehen seit ihrem Debüt 2016 in der deutschen Auswahl deswegen viele sechste und siebte Plätze – und noch keine Medaille.

Auch die jungen Spielerinnen wie die 21-jährige Viola Leuchter wissen um diese edelmetallene Durststrecke, die seit WM-Bronze 2007 anhält. Das Team trotzte am Dienstag geradezu der Euphorie der rund 7200 Fans auf den Rängen der Westfalenhalle. »Bis zur Medaille ist es noch ein weiter Weg«, mahnte Leuchter. »Aber wir lösen die Aufgaben bisher richtig gut.« Auch die Youngster des Teams haben längst verinnerlicht, dass über Erfolg und Misserfolg bei der WM am Ende nur ein Sieg im Viertelfinale entscheiden wird.

Deutschland mit neuer Breite im Kader

Wie fix alle Medaillenträume ins Wanken geraten können, erlebten in der Vorrunde die Schwedinnen, auf die sich viele Fachleute schon als deutsche Viertelfinalgegner festgelegt hatten. Die Skandinavierinnen unterlagen Brasilien am Montag überraschend deutlich mit 27:31 Toren – und haben dadurch nur noch Außenseiterchancen auf das Erreichen der K.-o.-Phase. Wenn Schweden in der Hauptrunde keine drei Siege gelingen, läuft es für die deutschen Handballerinnen im Viertelfinale wohl auf ein Duell gegen den Südamerika-Champion hinaus.

Immer vorausgesetzt, es gelingt ein Erfolg gegen Montenegro, das Gaugisch als »physisch starkes« Team einstuft und als abgezockte Truppe. »Die sind mit allen Wassern gewaschen«, warnte der 51-Jährige. Doch der deutsche Ko-Gastgeber verfügt über den Vorteil eines breiten Kaders. Bisher konnte der Bundestrainer die Einsatzzeiten seiner Profis gut verteilen, was sich am Ende des Turniers als Vorteil erweisen könnte. »Das wird uns im Verlaufe des Turniers sehr zugutekommen, weil man nicht so k. o. ist«, prophezeit Vogel.

Bleibt das gute Gefühl bis zum Turnierende?

Auch gegen die Auswahl der Färöer-Inseln, die erstaunlich stark aufspielte, gab die starke Bank der Deutschen den Ausschlag. Sie entschied die Partie, die beim Stand von 21:17 in der 38. Minute noch offen war, mit modernem Tempohandball und einer weiterhin griffigen Abwehr. Auch im Mittelblock stehen dem Bundestrainer viele Optionen zur Verfügung, seit die Spezialistin Aimeé von Pereira und Shootingstar Nieke Kühne zum Stamm der Auswahl gehören.

Das Team biete aufgrund seiner Altersstruktur und Besetzung »viele unterschiedliche Qualitäten«, findet auch Vogel, es gehe zudem von allen Spielerinnen große Torgefahr aus. »Das macht den Kader so wertvoll.« Und wenn alle Profis die Last des harten Programms trügen – immerhin müssen die Handballerinnen bis zum Viertelfinale sechs Spiele in zwölf Tagen absolvieren –, bekomme jede Einzelne außerdem »ein besseres Gefühl, auch beitragen zu können«.

Ob dieses gute Gefühl auch über das Turnierende hinaus bleiben wird, ahnt Vogel, hängt jedoch wesentlich vom Ausgang des Viertelfinales und der Medaillenspiele ab, die ab dem 12. Dezember in Rotterdam stattfinden.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195716.handball-die-handball-wm-der-frauen-ein-schrei-nach-gleichberechtigung.html?sstr=handball
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195809.handball-die-deutschen-handballerinnen-loesen-den-knoten.html?sstr=handball
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1178513.handball-wm-der-frauen-deutsche-handballerinnen-scheitern-wieder-im-wm-viertelfinale.html?sstr=handball|frauen