In dem seit März laufenden Strafverfahren[1] gegen Daniela Klette wegen mehrfachen räuberischen Diebstahls fordert die Verteidigung die Aussetzung des Prozesses, bis in einem anderen Verfahren des Generalbundesanwalts erhobene Vorwürfe der Mitgliedschaft in der »Roten Armee Fraktion« (RAF) abschließend verhandelt sind. Auch eine der RAF zugeschriebene Gewaltbereitschaft soll dort geprüft werden.
Denn die gesamte Anklage im Raubverfahren basiere auf dieser doppelten Zuschreibung, die auch die »gesondert Verfolgten« und noch gesuchten Burkhard Garweg und Ernst-Volker Straub betrifft. Deshalb sei ein faires Verfahren derzeit nicht möglich, schreiben die Anwält*innen Ulrich von Klinggräff, Undine Weyers und Lukas Theune in dem auf einer Solidaritätswebseite veröffentlichten Antrag[2].
Laut den Verteidiger*innen bilde die Hypothese einer früheren Mitgliedschaft von Daniela Klette das Fundament der gesamten Anklageschrift wegen Überfällen auf Geldtransporter und Supermärkte. Diese angebliche militante Vergangenheit ziehe sich auch als zentrales Beweismoment durch die Bewertung aller Tatvorwürfe. Daher bestehe eine untrennbare Verbindung zum parallelen Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts, in dem genau diese RAF-Vorwürfe untersucht werden – für das aber noch keine Anklage vorliegt.
Eine isolierte Beweisaufnahme im Raubverfahren verstoße auch gegen die Unschuldsvermutung, heißt es in dem Antrag. Darin werden auch Beispiele genannt: So versuche etwa die Bundesanwaltschaft durch einen Verweis auf eine »generelle Tötungsbereitschaft« bei den Raubtaten durch Verweis auf RAF-Strukturen Beweislücken zu schließen. In der Anklageschrift heißt es pauschal: »Um ihr Ziel – Geld zu erbeuten – zu erreichen, nahmen sie auch die Möglichkeit tödlicher Verletzungen billigend in Kauf.« Für diese Zuschreibung, so die Verteidigung, fänden sich in den Ermittlungen aber keine Belege.
Noch direkter werde die RAF-Hypothese bei den Raubüberfällen in Bochum-Wattenscheid und Löhne als Beweismittel eingesetzt. Wo Belege für Klettes Tatbeteiligung fehlten, argumentiere die Staatsanwaltschaft mit angeblichen Prinzipien der RAF-Organisation: »Hinzu kommt, dass es sich bei den Tatverdächtigen … um die letzten der noch im Untergrund lebenden ehemaligen Mitglieder der … ›Rote Armee Fraktion‹ (›RAF‹) handelte.« Aus dem »Grundsatz der Kollektivität« werde auf die Beteiligung Klettes geschlossen.
Die Verteidigung erwartet, dass das Parallelverfahren des Generalbundesanwalts auch die unterstellte ungebrochene »Gewaltbereitschaft« für die 1990er Jahre widerlegen wird. Dazu verweisen die Anwält*innen auch auf nicht mehr aktuelle Gerichtsurteile zur RAF, die von der Staatsanwaltschaft Verden zitiert werden: Für die fragliche Zeit habe sogar der Bundesgerichtshof 1998 klargestellt, dass Erkenntnisse aus den 1980er Jahren nichts über die »personell und strukturell geänderte RAF« mit »grundlegend veränderter Zielsetzung« seit 1992 aussagten.
Die angebliche »Gewaltbereitschaft« Klettes wird aus Sicht der Verteidigung auch durch die »Deeskalationserklärung« der RAF vom 10. April 1992 widerlegt. Darin steht: »Wir haben uns entschieden, dass wir von uns aus die Eskalation zurücknehmen. Das heißt, wir werden Angriffe auf führende Repräsentanten aus Wirtschaft und Staat für den jetzt notwendigen Prozess einstellen.« Diese Ankündigung sei, so die Verteidigung, bis zur Selbstauflösung der RAF 1998 umgesetzt worden. Die in der Raub-Anklage unterstellte, aus der RAF-Vergangenheit abgeleitete Entschlossenheit für tödliche Taten ab 1999 ignoriere diese historische Zäsur vollständig.
Neben der Aussetzung des Raubverfahrens bis zum Abschluss des RAF-Verfahrens beantragt die Verteidigung die Aufhebung des Haftbefehls gegen Daniela Klette. Denn die zur Klärung durch das zweite, noch zu eröffnende Verfahren entstehende Verzögerung dürfe nicht zu Lasten der Beschuldigten gehen.