Der Diskuswerfer Christoph Harting hat sich bereit erklärt, bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl im September 2026 für Die Linke zu kandidieren. Bei einer Mitgliederversammlung an diesem Samstag auf der Trabrennbahn Karlshorst, zu der alle Genossen aus dem Bezirk Lichtenberg eingeladen sind, möchte Olympiasieger Harting für den Wahlkreis 1 nominiert werden.
Dem »nd« liegt seine Bewerbung vor. Darin schreibt der 35-Jährige, der bei den Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro Gold gewonnen hatte: »Über zwei Jahrzehnte Leistungssport am Olympiastützpunkt in Hohenschönhausen und bei der Bundespolizei lehrten mich Disziplin, zeigten mir aber auch Schattenseiten des Systems.« Im letzten Jahr habe er auf brutalste Art und Weise erlebt, wie schlecht es um die Infrastruktur für mentale Gesundheit stehe, wie hilflos Betroffene dem ausgesetzt seien, »und wie unfassbar wichtig ein soziales Netz ist, das uns auffängt«. Das habe ihn motiviert, für eine andere Sportpolitik zu kämpfen, die den Breiten- und Vereinssport stärke und gleichzeitig Leistungssportler besser vor gesundheitlichen Risiken schütze.
Weiter schreibt Harting: »Ich möchte meine Energie in die Arbeit unserer Partei einbringen – für eine Gesellschaft, die mentale Gesundheit ernst nimmt, die den Sport als Gemeinschaftsgut fördert und sinnlose Ausgaben wie für die aktuelle Olympiabewerbung Berlins vermeidet.«
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Innensenatorin Iris Spranger (SPD) bemühen sich um die Olympischen Sommerspiele[1] 2036, 2040 oder 2044. Mitbewerber in Deutschland sind Hamburg, München und die Rhein-Ruhr-Region. Während sich die Münchner Bevölkerung in einem Bürgerentscheid für Olympische Spiele ausgesprochen hat, bereitet in Berlin ein Bündnis NOlympia[2], dem Linke, Grüne und Umweltverbände angehören, ein Volksbegehren gegen die Bewerbung der Hauptstadt vor. Im Januar soll das Sammeln der Unterschriften beginnen. Olympiasieger Harting gehört zu den Unterstützern dieses Volksbegehrens.
Mit der Linken habe der Spitzensportler schon einige Jahre zusammengewirkt, vor einige Monaten sei er in die Partei eingetreten, erklärt der Bezirksvorsitzende Antonio Leonhardt dem »nd« am Freitag. Da sei an eine Kandidatur Hartings für das Abgeordnetenhaus überhaupt noch nicht zu denken gewesen.
Zum Lichtenberger Wahkreis 1 gehört das Plattenbaugebiet von Hohenschönhausen. Dort habe Harting lange gewohnt, in Lichtenberg lebe er nach wie vor, berichtet Leonhardt. Die Gegend erinnert stark an das Plattenbauviertel Cottbus-Sachsendorf, wo Harting in sehr einfachen Verhältnissen groß geworden ist und erfahren hat, was Armut bedeutet.
Bei der Abgeordnetenhauswahl 2011 hatte Evrim Sommer[3] (Linke) den Lichtenberger Wahlkreis 1 gewonnen. Sie ist 2022 aus der Partei ausgetreten. 2016 ging der Wahlkreis an Kay Nerstheimer von der AfD und 2021 an Danny Freymark (CDU), der ihn bei der Wiederholungswahl 2023 verteidigte.
Mit Blick auf die Ergebnisse bei der Bundestagswahl im Februar 2025 müsse man befürchten, dass der Wahlkreis 2026 wieder an die AfD fällt, erklärt Antonio Leonhardt. »Es war gar nicht einfach, jemanden zu finden, der sich dieser Herausforderung stellt und auch noch so prominent ist«, freut sich der Linke-Bezirksvorsitzende.
Nach Kenntnisstand vom Freitag ist Harting bei der Nominierungsversammlung am Samstag der einzige Bewerber für den Wahlkreis 1. Es könnte aber auch im letzten Moment noch jemand anderes Interesse anmelden. Gewinnt Harting den Wahlkreis im nächsten Jahr nicht, so könnte er dennoch ins Abgeordnetenhaus einziehen, wenn ihm seine Genossen einen guten Listenplatz auf der Bezirksliste der Linken geben. Diese Liste wird jetzt aber noch nicht aufgestellt, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt.
Bereits am Samstag nominiert werden neben Direktkandidaten fürs Abgeordnetenhaus auch Kandidaten für die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Lichtenberg. Auch da hat sich Harting zur Verfügung gestellt und soll auf der Liste berücksichtigt werden. Bezirksparteichef Leonhardt, der auch Linksfraktionschef in Lichtenberg ist, will nach zehn Jahren in der BVV nicht erneut antreten, sondern sich ebenfalls um einen Sitz im Abgeordnetenhaus bemühen. Er bewirbt sich um eine Nominierung im Wahlkreis 4. Den hatte zuletzt dreimal in Folge Sebastian Schlüsselburg gewonnen, der aber im Oktober 2024 aus der Linken austrat und im Januar 2025 in die SPD überwechselte[4].
Von aktuell 17 000 Mitgliedern der Berliner Linken sind 1600 im Bezirk Lichtenberg organisiert.
»Ich möchte meine Energie in die Arbeit unserer Partei einbringen – für eine Gesellschaft, die mentale Gesundheit ernst nimmt.«
Christoph Harting Olympiasieger