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- Rücktritt in Mecklenburg-Vorpommern
Wenke Brüdgam: Der schwarz-rot-goldene Fischhaken
Wie linke Kritik am Nationalismus nach hinten losgehen kann
Deutschlandweit fordern Rechtsextreme von der AfD bis zur Identitären Bewegung dazu auf, die deutsche Flagge im öffentlichen Raum zu hissen. Unter dem Hashtag #HissdieFlagge findet der Aufruf online ein williges Publikum. Die Botschaft ist schlicht und perfide: Nur »wir« stehen für Deutschland, »die anderen« sind gegen »uns« und wer sich dagegen stellt, bringt nur den Beweis der angeblichen Unterdrückung der Deutschen im eigenen Land.
In den verggangenen Monaten sind an verschiedenen Orten solche Deutschlandflaggen aufgetaucht. So auch in dem Städtchen Marlow in Mecklenburg-Vorpommern, wo sie auch Wenke Brüdgam (die Linke), Gleichstellungsbeauftragte Mecklenburg-Vorpommerns, aufgefallen sind. In einem Video der Linken Marlow erklärt sie mit zerknüllter Flagge in der Hand, dass sie diese von einem leeren Gebäude abgerissen habe, »denn wer in diesen Zeiten Deutschlandfahnen an leerstehende Häuser hängt, der will nicht zeigen, dass er sein Land mag, sondern der will letztlich Nationalismus propagieren und damit klar zum Faschismus aufrufen«.
Es folgte ein erwartbarer wie scheinheiliger Shitstorm. Die AfD, die das Flaggenhissen aktiv propagiert, freut sich sichtlich darüber, dass Brüdgam am schwarz-rot-goldenen Fischhaken angebissen hat und fordert ihren Rücktritt. Auch die CDU-Generalsekretärin und ehemalige Justizministerin Mecklenburg-Vorpommerns Katy Hoffmeister bezeichnet Brüdgam als »nicht länger tragbar«, während die Staatsanwaltschaft eingegangene Anzeigen prüft.
Zurücktreten sollte Brüdgam selbstverständlich nicht, ist sie inzwischen aber. Ihre Intention war wohl ein engagierter Antifaschismus, es muss dennoch klar gesagt werden: Ihre Reaktion ging massiv nach hinten los. Und das aus einem einfachen Grund. Statt die Akteure und deren Strategie zu benennen, ging sie auf das Spiel der Rechten ein und machte das Hissen der Flagge selbst zum Problem. Das mag im linken Diskurs zwar als Kritik am Nationalismus funktionieren, doch viele weniger-politisierte Menschen hören lediglich: »Die Linken sind gegen ›uns‹« – während sich die Rechten die Hände reiben.
Nein, nicht jede Person, die eine Deutschland-Flagge hisst, ruft damit »klar« zum Faschismus auf. Die Pointe liegt gerade darin, dass Rechte die vermeintliche Unschuld und Normalität des Symbols ausnutzen, um ihre Agenda niedrigschwellig ins Alltagsbild fließen zu lassen. Wer hier nur das Tuch kritisiert, verstärkt ungewollt das rechte Narrativ.
Linke Politik kann – und muss – anders wirken. Linke müssen sich bewusst werden, dass ihre Außenkommunikation auch außerhalb ihrer eigenen Bubble funktionieren muss. Die jüngere Fokussierung auf Brot- und-Butter-Themen wie Miete und Rente sind gute Beispiele, wie linke Politik auch für Menschen attraktiv gemacht werden kann, die selbst (noch) nicht links sind. Das heißt nicht, Antifaschismus oder Nationalismuskritik unter den Teppich zu kehren – sie müssen nur cleverer kommuniziert werden. Den Rechten darf man letztlich vor allem das nicht geben, wonach sie am meisten lechzen: die Opferrolle.
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