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Finanzaufsicht sorgt sich um Geldwäsche
Neue EU-Behörde soll den Kampf gegen die Legalisierung von Schwarzgeld stärken
Dem Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden gelang jüngst ein bedeutender Erfolg gegen Geldwäscher. Zusammen mit Europol und der Kantonspolizei Zürich wurde einer der »ältesten und größten« Online-Geldwäschedienste vom Netz genommen. In der Schweiz wurden Computerserver sowie E-Mail-Adressen beschlagnahmt. Die Plattform cryptomixer.io verschleierte systematisch Finanzströme, heißt es in einer BKA-Mitteilung von vergangener Woche. »Die Betreiber der Plattform setzten verschiedene Maßnahmen ein, um eine Rückverfolgbarkeit der Zahlungsströme gezielt zu erschweren.« Diese Eigenschaft machte Cryptomixer zu einem beliebten Geldwäsche-Service für die Untergrundökonomie. Die Plattform hatte einen Umsatz in Milliardenhöhe.
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Dennoch dürfte Cryptomixer nicht einmal die Spitze des Eisberges bilden. Jährlich werden laut Schätzungen hierzulande rund 100 Milliarden Euro schmutziges Geld weißgewaschen. »Vermutlich ist es noch viel mehr«, sagt Birgit Rodolphe, Direktorin der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Unter Geldwäsche versteht man die Einschleusung von illegal erwirtschafteten Geldern in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf. Das Strafgesetzbuch stellt Geldwäsche mit einer Freiheitsstrafe von höchstens fünf Jahren unter Strafe. Es ist jedoch nicht allein das vergleichsweise geringe Strafmaß, das Kriminelle nach Deutschland zieht. Es sind auch personell überforderte Behörden und die Größe des Wirtschaftsstandorts.
Banken, Immobilienmakler und Notare müssen Verdachtsfälle an die zuständige Financial Intelligence Unit (FIU), eine Spezialeinheit des Zolls, melden. Doch die Geschäftsmodelle der Kriminellen wandeln sich ständig, hieß es auf der 7. Fachtagung der Bafin zur Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, die Ende November in Frankfurt am Main stattfand.
Beispielsweise wird Bargeld gewaschen durch die Einbindung von selbstständigen Gewerbetreibenden wie Paketshops, Gebrauchtwagenhändlern oder Restaurants. Deren Umsätze schwanken ohnehin stark und sind von Behörden schwer zu kontrollieren. Das Bargeld wird dann auf ein Konto bei einer Bank oder Sparkasse eingezahlt. Nach Erfahrungen der Bafin sind kleine Institute in der Provinz davon genauso betroffen wie Großbanken in Frankfurt.
»Kriminelle Handlungen sind in unzähligen Varianten möglich und mit neuen Strukturen passen die Kriminellen ihre Handlungen laufend an neue Marktbedingungen an«, warnt Rodolphe. Häufig würden auch rechtliche Gestaltungsspielräume genutzt. So werden von Kriminellen häufig Firmen gegründet, etwa mit dem uneindeutigen Geschäftszweck »Warengeschäfte aller Art«. Dies ermöglicht dann Finanztransaktionen selbst mit großen Beträgen über Banken. Nach ein, zwei Jahren melden die Unternehmen dann Insolvenz an – was eine Nachverfolgung durch Behörden nahezu unmöglich macht.
Kaum nachvollziehbar sind für das Risikomanagement der Banken und Finanzdienstleister grenzüberschreitende, komplexe Unternehmenskonstruktionen. Das Geldwäschegesetz schreibt den Instituten dennoch vor, ihre Kunden zu identifizieren und zu prüfen, ob die gemachten Angaben stimmen. Verdächtige Transaktionen sind an die FIU zu melden. In der Praxis führt dies zu einer Flut an Meldungen, was wiederum die Fahnder der FIU überfordert.
Zur Veränderung beitragen soll zukünftig die neue EU-Aufsichtsbehörde Anti-Money Laundering Authority (AMLA), die Anfang des Jahres in Frankfurt ihr Hauptquartier aufschlug. Erstmals ergänzt damit eine zentrale Instanz die bislang fragmentierten, nationalen Aufsichtsstrukturen in 27 Staaten. In zwei Jahren soll AMLA voll handlungsfähig sein. Eine Herkulesaufgabe, meint Rodolphe, auch weil neben Bargeld und Zahlungsverkehr Kryptowährungen wie Bitcoin eine immer größere Rolle spielen. Kryptowährungen – für die zurzeit Fußballspieler des FC Bayern München in ganzseitigen Anzeigen massiv werben – werden anonym ein- und ausgezahlt. Sie sind daher das ideale Medium für Kriminelle. In der Folge benötigen Strafverfolger jahrelange Recherchen, um Online-Geldwäschedienste wie Cryptomixer lahmzulegen.
Fahndungserfolge des BKA erschweren Kriminellen das Geschäft. Verschwunden sind diese damit aber nicht. Eine Studie des Forschungsinstituts RF Berlin zur globalen Geldwäsche, die im Rahmen der Konferenz der Bafin veröffentlicht wurde, zeigt, dass strengere Vorschriften und eine härtere Bekämpfung der Geldwäsche in einigen Ländern zu mehr Geldwäsche in anderen Staaten führt. Die Bekämpfung von Geldwäsche müsste daher international grenz- und sektorübergreifend koordiniert werden, um wirksamer zu werden.
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