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Macht der Lebensmittelmonopole steigt

Supermarkt- und Industrieriesen profitieren von der Inflation der Nahrungsmittelpreise

Die Preise im Supermarkt sind rasant gestiegen – ein Grund ist die Machtkonzentration bei den Filialketten.
Die Preise im Supermarkt sind rasant gestiegen – ein Grund ist die Machtkonzentration bei den Filialketten.

Die Erzeugerpreise in der Landwirtschaft stiegen in den vergangenen Jahren deutlich geringer als die Verbraucher*innenpreise. Das zeigt sich anschaulich bei Milchprodukten: Laut der Monopolkommission stiegen die Supermarktpreise von 2014 bis 2023 von 70 Cent auf 1,05 Euro pro Liter. Die Landwirte erhielten daraus damals 40 Cent – und heutzutage ebenso. Die Schere zwischen Erzeugerpreisen und jenen im Supermarkt öffnet sich also.

Zugleich sind Lebensmittel in den vergangenen Jahren erheblich teurer geworden. Derzeit liegen sie in Deutschland zwar nur 2,7 Prozent über dem EU-Durchschnitt. Die Krux liegt aber nicht im Niveau, sondern in der Dynamik. Denn die Preise steigen deutlich schneller als in anderen Ländern. So steigerten sich die durchschnittlichen Einzelhandelspreise von Milcherzeugnissen zwischen 2011 und 2021 um fast 75 Prozent. Das ist der stärkste Anstieg in Europa.

Gestiegene Nahrungsmittelpreise hängen mit vielen Faktoren zusammen, wie mit Energiekosten oder geopolitischen Entwicklung. Jedoch auch mit der Machtkonzentration bei der Industrie und im Handel, wie die Monopolkomission in einem aktuellen Gutachten zu Lebensmittellieferketten erläutert. Landwirtschaft, Industrie und Handel sind die drei großen Akteure in der Lieferkette.

»Künftig müssen Zusammenschlüsse entlang der gesamten Lieferkette konsequenter geprüft werden – und nicht erst auf der letzten Handelsstufe.«

Tomaso Duso Monopolkommission

In Deutschland beherrschen Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe, zu der Lidl und Kaufland gehören, der Initiative »Konzernmacht beschränken« zufolge inzwischen 85 Prozent des Lebensmittelmarktes, Tendenz steigend. »Das Gutachten der Monopolkommission bestätigt: Die Marktmacht der Supermärkte und dominanter Lebensmittelkonzerne ist zu groß geworden. Die Rechnung zahlt die Landwirtschaft – und wir Verbraucher*innen«, so Steffen Vogel, Referent für Menschenrechte in Lieferketten von Oxfam Deutschland, in einer Aussendung.

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Denn die Monopolstellung wirkt sich einer Studie von Oxfam und dem Forum Fairer Handel zufolge nicht nur auf die Supermarktpreise, sondern auch negativ auf die Vertragsverhandlung zwischen dem Lebensmitteleinzelhandel und seinen Lieferanten aus. Und damit auch auf die Bedingungen in der Landwirtschaft anderer Länder.

Doch auch auf der Stufe der Hersteller gibt es über alle Lebensmittellieferketten hinweg »Konzentrationsprozesse«, wie die Monopolkomission feststellt. Der Konzentrationsgrad unterscheidet sich je nach Lebensmittellieferkette. Die Komission fokussiert sich auf jene, die einen Großteil der Wertschöpfung landwirtschaftlicher Produkte abbilden: Milch, Fleisch und Getreide. »Auffällig ist, dass der Anstieg der Preisaufschläge auf den jeweiligen Stufen der Lebensmittellieferketten zeitlich mit dem Anstieg der Marktkonzentration zusammenfällt«, schreibt die Monopolkomission.

»Der Wettbewerb im Lebensmittelhandel funktioniert«, widerspricht dagegen Björn Fromm, Vizepräsident des Handelsverbands Deutschland (HDV). Die Komission räume zudem ein, dass die Datengrundlage nicht ausreiche, um einen Zusammenhang zwischen der Konzentration im Lebensmittelhandel und der Preisentwicklung bei Verbrauchern und Zwischenstufen herzustellen, so der HDV.

Die Monopolkommission kritisiert in ihrem Bericht unter anderem, dass für den Einzelhandelsbereich keine Differenzierung nach einzelnen Lebensmittelbereichen möglich ist, da die Daten nur in aggregierter Form vorliegen. An Datenmangel liegt es auch, dass sich schwer feststellen lässt, warum gerade die Preise von Supermarkt-Eigenmarken stark steigen. Supermärkte und Lebensmittelkonzerne müssen keine Auskunft über ihre Margen und Preissetzung geben. Auch Gewinne der Supermarktketten sind nicht eindeutig zu ermitteln, da diese nicht börsennotiert sind und somit nicht unter die Berichterstattungspflicht fallen.

Das kritisiert die Organisation Foodwatch, die seit Mai 2024 mit einem Preisradar die Kostenentwicklung bei Aldi, Rewe und Edeka abdeckt. Demnach brauche es mehr Transparenz bei der Preisgestaltung: »Eine unabhängige Preisbeobachtungsstelle für die gesamte Wertschöpfungskette kann Machtmissbrauch aufdecken und fairere Bedingungen zwischen Handel, Landwirtschaft und Verbraucher*innen schaffen.«

Auch Tomaso Duso, Vorsitzender der Monopolkommission, fordert: »Künftig müssen Zusammenschlüsse entlang der gesamten Lieferkette konsequenter geprüft werden – und nicht erst auf der letzten Handelsstufe.« Das bedeutet: von der Landwirtschaft über die Industrie bis hin zum Handel. Zugleich brauche es eine wirksamere Kontrolle gegen Machtmissbrauch, so Duso. Das landwirtschaftliche Gewerbe würde darüber hinaus vor allem durch effizientere Betriebs- und Produktionsstrukturen gestärkt. Innovation und moderne Produktionsmethoden könnten demnach kleinere Betriebe fördern.

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